Steinhagen. Nach sieben Jahren ist das Kapitel Spvg. Steinhagen für Carsten Johanning beendet. Im Interview mit Christian Helmig zieht der scheidende Trainer des Fußball-Landesligisten Bilanz seiner Zeit am Cronsbach. Der 45-Jährige spricht über Höhepunkte und Enttäuschungen, einen besonderen Torjäger und seine neue Aufgabe als Sportlicher Leiter des VfL Theesen.
Carsten, Sie haben den Trainerjob in Steinhagen 2008 angetreten und gehen jetzt aus freien Stücken. Genauso hat es Jürgen Klopp in Dortmund gemacht. Ist er Ihr Vorbild?
CARSTEN JOHANNING: Ein Vorbild vielleicht nicht, aber mit Sicherheit ein super Trainer, von dem man sich viel abschauen kann. Und ich kann sehr gut nachempfinden, was er gemeint hat, als er sagte, er sei nach dieser langen Zeit nicht mehr der perfekte Trainer für die Mannschaft. Meine Situation war in dieser Hinsicht vergleichbar.
Können Sie die vergangenen sieben Jahre in einigen Sätzen zusammenfassen?
JOHANNING: Es war aus menschlicher und sportlicher Hinsicht eine wunderschöne Zeit - auch wenn das letzte halbe Jahr nicht mehr ganz so prickelnd war. Der Verein hat mir die Chance gegeben, als Trainer im mittleren Amateurbereich einzusteigen. Ich glaube, das hat sich für beide Seiten ausgezahlt. Mir hat der Job wahnsinnig viel Spaß gemacht, ich habe eine Menge unterschiedliche Charaktere kennengelernt und es sind viele Freundschaften entstanden.
Nach zwei vierten Plätzen hat Ihre Mannschaft die vergangene Saison als Achter beendet. Warum lief es am Schluss nicht mehr so rund?
JOHANNING: Natürlich hätten wir gerne besser abgeschnitten. Aber es ging für uns vorher ja praktisch immer nur bergauf. Es war klar, dass das nicht ewig so bleiben kann. Ein Grund dafür waren sicher die vielen Verletzungen, durch die wir nicht mehr den Konkurrenzkampf im Kader hatten, von dem wir immer gelebt haben. Und wenn der Trainer frühzeitig ankündigt, dass er am Saisonende aufhört, kostet das vielleicht auch den ein oder anderen Prozentpunkt.
Sie haben mit der Spvg. 2011 den Aufstieg in die Landesliga geschafft und seitdem souverän die Klasse gehalten, teilweise sogar an der Tabellenspitze mitgespielt. Gibt es neben den sportlichen Erfolgen noch andere Dinge, auf die Sie stolz sind?
JOHANNING: Ich habe zu den meisten Spielern immer ein gutes Verhältnis gehabt. Besonders zu denen, die die ganze Zeit dabei waren, wie Andy Kretschmann, David Steffek oder Max Hoppmann. Manche sind als Teenager zu uns gekommen und sind heute gestandene Männer. Einfluss auf ihre Charakterbildung nehmen zu können, ihnen Werte vorzuleben und zu sehen, dass sie davon etwas annehmen, das war eine gute Erfahrung.
Gab es auch Enttäuschungen?
JOHANNING: Immer wieder. Vor allem über die generelle Entwicklung, dass der Fußball für viele Menschen heutzutage nicht mehr den Stellenwert hat, wie für mich persönlich. Das zeigt ja auch der schwache Zuschauerzuspruch in Steinhagen. Wir haben immer versucht, gepflegten, attraktiven Fußball zu spielen und waren zu Hause ja auch fast zwei Jahre lang ungeschlagen. Leider wurde das nie angemessen honoriert.
Sie haben über 200 Spiele auf der Steinhagener Bank absolviert. Welches ist Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?
JOHANNING: Da gibt es einige. Ein Highlight war sicher das Endspiel gegen VfB Fichte vor zwei Jahren. Die Kulisse war toll und beide Mannschaften hatten am letzten Spieltag noch die Chance, aufzusteigen. In derselben Saison haben wir auch unser wahrscheinlich bestes Heimspiel überhaupt gemacht. Gegen den späteren Meister Theesen ging es 90 Minuten rauf und runter. Kurioserweise haben wir beide Spiele verloren.
Und das schlechteste Spiel?
JOHANNING: In der Bezirksliga haben wir im Cronsbachstadion mal 0:0 gegen Peckeloh gespielt. Das war ganz besch... Fußball. Allerdings war unser Platz damals auch so schlecht, dass es kaum besser möglich war.
Wo sehen Sie die Sportvereinigung in fünf Jahren?
JOHANNING: Die Mannschaft spielt in der Liga, in die sie gehört. Und sie hat auch das Zeug, dort weiter eine gute Rolle zu spielen. Um aber oben anzuklopfen und irgendwann vielleicht noch mal aufzusteigen, fehlt in Steinhagen einfach der finanzielle Rahmen. Das hat mich in den letzten zwei Jahren häufig frustriert. Und der neue Trainer (Daniel Keller, die Redaktion) stellt es ja jetzt auch schon fest.
Sie haben stattdessen lange Zeit darauf gesetzt, ehemalige Steinhagener an den Cronsbach zurückzuholen.
JOHANNING: Das war unsere einzige Chance. Und es sind ja auch viele gerne zurückgekehrt. Aber dadurch, dass aus der Jugend seit Jahren nicht mehr viel nachgekommen ist, ist diese Quelle mittlerweile versiegt. Im Gegenteil, die ersten Spieler verlassen den Verein jetzt wieder.
Sebastian Herrmann ist aber immer noch da.
JOHANNING: Bastis Rückkehr war für den Verein ein Riesenglücksfall. Und für mich natürlich auch. Viele der Erfolge, die mir zugeschrieben werden, hat er mit seinen Toren maßgeblich zu verantworten. Am Anfang war er sogar noch zwei Klassen besser. Seitdem hat er leistungsmäßig Jahr für Jahr abgebaut und sich dem Niveau in der Landesliga angepasst, aber das ist letztlich eine ganz normale, menschliche Entwicklung. Auf seine Torquote hat sie sich zum Glück überhaupt nicht ausgewirkt.
Was erwarten Sie von Ihrer neuen Aufgabe in Theesen?
JOHANNING: Ich werde mich erst mal völlig neu zurechtfinden müssen. Ich bin ja künftig nicht mehr nur für eine, sondern für fünf Mannschaften zuständig. Es wird sicher nicht leicht für mich, mich selbst zurückzunehmen und die Trainer in Ruhe ihre Arbeit machen zu lassen. Andererseits freue ich mich auch darauf, nicht mehr jeden Tag das Training vorbereiten zu müssen und stattdessen strategischer arbeiten zu können. Mein Respekt vor der Aufgabe ist sehr groß, weil der VfL Theesen im Bielefelder Raum enorm im Fokus steht.
Können Sie sich eine Rückkehr zur Sportvereinigung vorstellen?
JOHANNING: Warum nicht? Ich muss ja praktisch nur aus meiner Haustür rausgehen und stehe schon in Steinhagen am Platz. Wer weiß, wenn in einigen Jahren noch dieselben Leute wie heute da sind, übernehme ich irgendwann vielleicht mal einen Posten im Vorstand.