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Vom Gefühl, dazuzugehören

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Von Stella Venohr

Steinhagen.
»Lieber Arm ab, als arm dran« lautet das Motto von Rainer Schmidt. Der 50-jährige ist Pastor, Buchautor, Kabarettist - und er ist ohne Unterarme und mit verkürztem Bein zur Welt gekommen. Er hat mehrfach Gold bei den Paralympics gewonnen und war am Sonntagmorgen in Steinhagen zu Gast, um mit Witz und Charme über das Thema Inklusion zu sprechen. Im Rahmen des dritten »Tages der CDU« des CDU-Kreisverbands Gütersloh fand der Rheinländer in der Aula des Schulzentrums vor 120 Besuchern eine Bühne. Außerdem wurde der Tag durch Musik der »Nimm zwei Band« und Sportaufführen untermalt.

"Meine Oma hat mich nach der Geburt gesehen und wollte mich weggeben, zu Experten", sagt Rainer Schmidt. "Die war verunsichert und bei so etwas hilft nur Flucht oder Verdrängung und meine Oma hatte schon jahrelang in dem Dorf gelebt, also musste der Kleine weg." So manch einer im Publikum muss wohl schlucken bei diesen Worten, aber Schmidt weiß zu helfen: "Ich liebe diese dramatischen Momente in meinem Vortrag, aber keine Angst, ich hole Sie wieder aus dem emotionalen Tief." Die Reaktion seiner Großmutter seien normale Momente der Verunsicherung gewesen. Aber genau das sei Inklusion, dass einfache Menschen lernen mit Behinderung umzugehen.

Leider gebe es immer dieses typische Bild eines Behinderten in der Öffentlichkeit, nämlich der, der sich nicht anziehen kann und abhängig ist. So auch in dem Ausdruck »an den Rollstuhl gefesselt«. "Wenn Sie jemanden sehen, der an den Rollstuhl gefesselt ist, dann machen Sie ihn um Gottes Willen los", bringt Schmidt sein Publikum zum Lachen. Der 50-Jährige führt mit einer Mischung aus Informationen und Kabarett durch sein Programm. Ihm ist es wichtig, nicht zu langweilen und nicht den moralischen Zeigefinger zu heben.

Besonders das Thema der schulischen Inklusion liegt dem Pfarrer am Herzen. Denn im deutschen Schulsystem wird eine medizinische Methode benutzt: Kinder werden diagnos-tiziert. "Als ich auf das Gymnaisum wollte, hat mich der Schulleiter gefragt, was müssen wir tun, damit Sie hier ihr Abi-tur machen können", sagt Schmidt. "Und genau das ist eine inklusive Frage, was müssen wir in der Gesellschaft ändern." An Schulen gäbe es zu sehr Wettkampfklassen, es gehe ständig um den Vergleich von Leistungen von Kindern im gleichen Alter. Dabei solle doch der Fortschritt im Lernen jedes Einzelnen im Vordergrund stehen.

Das illustriert Rainer Schmidt sehr schön an einem Beispiel, indem er zwei Formen des Lernes vorstellt. "Entweder man sagt den Kindern, alle sollen einen drei Kilo schweren Eimer mit Sand eine Minute lang hochheben. Dann schafft der Kleinste es nicht und lernt nichts. Und der Größte der Klasse macht es mit links und ist unterfordert", so der Kabarettist. "Oder man sagt den Kindern, jeder soll einen Eimer so mit Sand füllen, dass er ihn eben so hochheben kann." Dabei lerne jedes Kind etwas und sei am eigenen Lernerfolg beteiligt. Und das gelte im übertragenen Sinne nicht nur für Menschen mit Behinderung, sondern für alle Formen der möglichen Ausgrenzung, ob Alter, Geschlecht, Herkunft oder eben körperliche Besonderheiten.


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