Versmold (tas).
Lange Zeit debattierten Politik und Verwaltung hinter verschlossener Tür, wo zusätzliche Kapazitäten zur Unterbringung von Flüchtlingen geschaffen werden können. Am 6. März präsentierte die Stadt mit dem Gebäude am Brüggenkamp eine Lösung (wir berichteten). Das Grundstück ist gekauft, der Antrag zum Umbau gestellt, der Handlungsdruck groß. Wenige Tage, bevor die Genehmigung erteilt werden dürfte und die Arbeiten beginnen können, stellte Architekt Frank Schönberg die Detailplanung nun im öffentlichen Sitzungsteil vor - samt Kostenrahmen. Was folgte, war eine gut zweistündige Diskussion. Diesmal vor Publikum.Eine gute halbe Million Euro wird der Umbau der bisherigen Fabrikhalle am Brüggenkamp 10 kosten. Zu Beginn der Planungen hatte Planer Schönberg gegenüber der Politik grob von 350 000 bis 400 000 Euro gesprochen; inzwischen liegen konkrete Angebote vor. Dazu kommen Kosten für den bereits getätigten Grundstückskauf sowie die Ausstattung des Flüchtlingsheimes.
Die Gebäudestrukturen sind laut Frank Schönberg grundsätzlich von der Größenordnung her gut geeignet für die Umnutzung. Auftrag sei gewesen, die vorhandene Hülle so schnell wie möglich und so effektiv wie möglich in einen "vernünftigen Zustand" zu versetzen, der eine "menschenwürdige" Unterbringung von Flüchtlingen möglich macht. Die Planungen hätten unter "ungeheurem Zeitdruck" erfolgen müssen.
Während das Gebäude mit seiner Fassade weitgehend erhalten bleiben soll, sind im Inneren erhebliche Arbeiten vorgesehen. Insgesamt sollen Schlafmöglichkeiten für 97 Personen plus Sanitärbereiche (eine Dusche sowie zwei WCs für je 20 Personen) und Aufenthaltsräume in insgesamt drei Bauteilen geschaffen werden. Knackpunkt der baulichen Veränderungen und damit hohe Kostenfaktoren sind insbesondere die Sanitär- und Heizungsanlagen, die Elektroleitungen, die Brandmeldeanlage sowie die Verlegung des Estrichs.
Der Umbau, das klang während der Sitzung mehrfach an, soll den Zweck erfüllen - mehr zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Dennoch hat die Stadt bereits eine mögliche Folgenutzung als Wohnquartier im Blick. Auch dieser Schritt würde irgendwann Kosten verursachen und ein konkretes Konzept erforderlich machen. "Ich glaube, jetzt gibt es Fragen", schloss der Architekt seine Ausführungen. Und lag mit dieser Einschätzung richtig.
Sowohl Grüne als auch die Sozialdemokraten betonten, dass sie mit einer Unterkunft in dieser Größenordnung nach wie vor nicht besonders glücklich seien und lieber eine dezentrale Lösung realisiert hätten. Die SPD kritisierte erneut das Vorgehen der Verwaltung, bislang nur nichtöffentlich über die Pläne diskutiert zu haben.
Nun - kurz bevor die Baugenehmigung erfolgt - habe man keine Möglichkeit mehr, inhaltlich darüber zu beraten. "Wir empfinden das als gewisse Zumutung für den politischen Raum", sagte SPD-Fraktionschefin Liane Fülling. "Wir hätten gerne mehr als zwei Sätze in der Sitzungsvorlage."
Auch die Folgekostenbetrachtung komme ihrer Partei in den vorliegenden Plänen viel zu kurz. Fülling bat deshalb um weitere Beratungszeit und möglicherweise um eine Übergangslösung zur Unterbringung von Flüchtlingen.
Die Verwaltung und das politische Gegenüber hingegen sahen diesen Zeitpuffer nicht. Allein in den ersten vier Monaten des Jahres musste Versmold 40 neue Personen aufnehmen; laut Bürgermeister Michael Meyer-Hermann werde der Zuweisungsdruck zunehmen. Der Versuch, bei der Bezirksregierung einen Aufnahmestopp zu erwirken, sei gescheitert.
Trotz des zeitlichen Drucks wollte sich die SPD zu keiner Entscheidung drängen lassen. Für ihr Anliegen, die Pläne und die aktuelle Kostenschätzung zunächst in aller Ruhe zu beraten, fanden die Sozialdemokraten nur in den Grünen Unterstützer. In einer 20-minütigen Sitzungsunterbrechung - wieder hinter verschlossener Tür - ging es offenbar erneut um eine mögliche Alternative.
Verwaltung, CDU und FDP appellierten danach an alle Verantwortlichen am Sitzungstisch, nun endlich über die Pläne abzustimmen. Deutliche Worte richtete CDU-Mann Ulrich Wesolowski an Liane Fülling und ihre Parteikollegen. "Wir nehmen die Tendenz, dass sich die SPD aus der Verantwortung zieht, zur Kenntnis." Diese Kritik wollte die SPD nicht stehen lassen. Dass man sich dem Problem der steigenden Flüchtlingszahlen stellen müsse, habe ihre Fraktion bereits vor einem halben Jahr erkannt. Genau deshalb habe die SPD im Zuge der Haushaltsplanberatungen die Einstellung von 500 000 Euro für den Bau/Erwerb zusätzlicher Immobilien beantragt. Wie berichtet, war die politische Mehrheit einst der Auffassung, dass 80 000 Euro reichen würden und dass man bedarfsgerecht über die Anmietung von Wohnraum nachdenken müsse.
Im neuen Jahr änderten die Verantwortlichen im Rathaus aufgrund der aktuellen Entwicklung ihren Kurs - und setzten auf der Suche nach Lösungen zunächst ausschließlich auf Gespräche im geschlossenen Rahmen. Und so liegen zwischen dem öffentlichen, mehrheitlichen Beschluss (vier Gegenstimmen und eine Enthaltung seitens der SPD) zur Umsetzung der Pläne und dem Baubeginn am Brüggenkamp gerade einmal wenige Tage.