Von Andreas Großpietsch
Borgholzhausen.
"Die Abstandsregeln, die für neue Leitungen gelten, gelten hier nicht. Ich kann keine Haftung dafür übernehmen, dass sie in Borgholzhausen eingehalten werden", hatte Dirk Becker gestern im Rathaus ernüchternde Worte für die Vertreter der heimischen SPD, der Piumer Bürgerinitiative gegen die Freileitung und der Stadtverwaltung. "Aber ich kann eine Initiative versprechen, um ein kleines Schlupfloch zu finden", erklärte er weiter, dass er sich für eine Erdverkabelung im Bereich der Stadt einsetzen will.Das hört sich zwar zunächst nicht nach besonders viel an, doch Dirk Becker ist auch nicht irgendwer - und darum ist es schon eine ganze Menge. Der SPD-Bundestagsabgeordnete ist Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Energie in seiner Partei und damit ganz nah dran am Wirtschaftsministerium von SPD-Chef Sigmar Gabriel. Der Minister sieht sich selbst sicher mit guten Gründen als entscheidender Spieler bei der Umsetzung der Energiewende.
Untrennbar mit diesem ehrgeizigen Vorhaben verbunden ist der Netzausbau, sagt auch Dirk Becker. "Allerdings hätte das Stromnetz auch ohne die Energiewende vor großen Herausforderungen gestanden und große Investitionen nötig gemacht", lautet seine Einschätzung. Ohne neue Leitungen, so ist sich nicht nur die Bundesregierung sicher, kann die Energiewende aber gar nicht gelingen. Pläne zum Ausbau gibt es viele, aber an der Umsetzung hapert es vielerorts.
Das trifft allerdings nicht auf Borgholzhausen zu, denn der geplante Streckenabschnitt bis Gütersloh befindet sich bereits im Planfeststellungsverfahren. Was einer der Gründe ist, die dagegen sprechen, dass die Initiative für ein Erdkabel Erfolg haben könnte. Allerdings hat man auch im fernen Bundeswirtschaftsministerium in Berlin registriert, dass der Widerstand gegen die Netzausbaupläne überall da besonders groß ist, wo die Leitungen dicht an Siedlungen heranreichen.
Genau an dieser Stelle setzt der »Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Bestimmungen des Rechts des Energieleitungsbaus« an, der vor der Osterpause im Bundeskabinett beraten worden ist und direkt danach in den politischen Prozess des Bundestages einfließen wird. Eines der Ziele des Entwurfs ist es, die Zahl der Erdverkabelungen deutlich zu erhöhen, um mehr Akzeptanz für neue Stromleitungen zu erzeugen.
An genau definierten Stellen, wo die Riesenmasten besonders dicht an Wohngebiete heranreichen, soll diese Technologie zum Einsatz kommen. Dirk Becker registrierte allein in den zurückliegenden vier Jahren herausragende technische Entwicklungen auf diesem Gebiet, die den Einsatz von Erdkabeln effizienter und kostengünstiger machen. Wie viel teurer das Erdkabel noch als eine Freileitung ist, darüber streiten sich die Experten. Grundsätzlich nähern sich die Preise der beiden Systeme an, doch noch ist die Freileitung die erheblich preiswertere Alternative.
Auf der Basis der jetzt gültigen Rechtslage scheint sie in Borgholzhausen derzeit nicht umsetzbar zu sein. Doch Gesetze können sich ändern und die Bestimmungen zum Bau von großen Stromautobahnen befinden sich genau in diesem Moment in einem grundlegenden Änderungsprozess.
"Wir haben mit dem Besuch von Dirk Becker genau den richtigen Zeitpunkt erwischt, um unsere Sorgen und Nöte zu schildern", fasste Bürgermeisterkandidat Dirk Speckmann das Ergebnis der Gespräche zusammen. Die heimischen Sozialdemokraten hatten auch Vertreter der Piumer Bürgerinitiative gegen die 380-kV-Höchstspannungsleitung am Teuto eingeladen und zusammen mit Becker und ihnen einige neuralgische Punkte an der Trasse besichtigt. Besonders eng ist es im Bereich Sundernstraße und an der Goldbrede.
Dirk Becker zeigte sich erfreut über die ebenso sachlich wie sachkundig geführte Debatte und machte die eingangs genannten Zusagen. "Bis zur Sommerpause", so seine Einschätzung, werde man wissen, ob der Bereich Borgholzhausen in den erlauchten Kreis der Orte aufgenommen wird, an denen mit Erdkabel-Pilotstrecken die schlimmsten Auswirkungen neuer Stromautobahnen abgewendet werden sollen.