Von Silke Derkum
Versmold-Peckeloh. Mit dem Wort Familienunternehmen schmücken sich viele mittelständische Betriebe. Doch wo die Oma für die ganze Belegschaft kocht, die Geschäftsräume im Wohnzimmer angesiedelt sind und die Eltern ihre kleinen Töchter einfach mit zur Arbeit nehmen, um sie zu betreuen, da darf mit Fug und Recht von einem Familienbetrieb gesprochen werden. Vor 50 Jahren legten Fritz und Renate Sieckendiek mit einem gebrauchten Bus und unter dem oben beschriebenen Einsatz aller Familienmitglieder den Grundstein für ihr Unternehmen, das heute mehr als 100 Mitarbeiter sowie 45 Busse zählt und fest in Versmold verwurzelt ist.
Alles begann mit einem Angebot. Fritz und Renate Sieckendiek waren beide bei Wiltmann beschäftigt - er als Fahrer, sie in der Buchhaltung. Heinrich Stinhans, der damals den Werksbusverkehr für Wiltmann abwickelte, fragte Fritz Sieckendiek, ob er nicht nur dessen Konzession für den Werksverkehr, sondern auch gleich seinen Bus kaufen wolle. Das Ehepaar überlegte nicht lange.
"Wir haben im Juli 1965 den Schritt gewagt", sagt Renate Sieckendiek. Und sie erzählt, dass ihr Mann in der Anfangszeit morgens die Wiltmann-Gastarbeiter, die in einem Heim in Oesterweg wohnten, abholte. Dann trat er selbst seine Schicht an und brachte die Kollegen danach abends wieder nach Hause.
Schon bald übernahm Fritz Sieckendiek auch den Werksverkehr für die Fleischbetriebe Nölke, Menzefricke und Stockmeyer. Im Oktober 1966 machte seine Frau Renate als erste Frau im Kreis Gütersloh ebenfalls den Busführerschein. In der Woche war genug zu tun. Nun musste das Fahrzeug auch am Wochenende ausgelastet werden. "Wir haben zum Beispiel Touren ins Sauerland zum Skifahren angeboten", sagt Renate Sieckendiek. "Wir haben abends den Wetterbericht geguckt, und wenn es Schnee gab, sind wir samstags um drei Uhr morgens aufgestanden, denn ab vier Uhr riefen die Kunden an, um zu fragen, ob die Fahrt stattfindet", berichtet sie. "Um 9 Uhr waren alle auf der Skipiste und abends wieder zu Hause."
Immer involviert in das Geschehen waren die Großmütter Mimi und Guste - und die beiden Töchter Bettina und Birgit. "Die Omas haben mittags für uns und unsere Fahrer gekocht und natürlich oft auf uns aufgepasst", erinnert sich Bettina Sieckendiek an ihre Kindheit. Zu deren Erinnerungen auch die vielen Fahrten gehören, in denen die Töchter die Eltern im Bus begleiteten - "damit wir nicht alleine zu Hause waren".
Zu den Werksfahrten war schon bald auch der Schülerbusverkehr hinzugekommen ebenso wie Busreisen. 1973 wurde der erste kleine Reisekatalog gedruckt und 1974 ein Reisebüro am Eschweg eröffnet. "Es war das erste Reisebüro in Versmold", sagt Birgit Sieckendiek-Rinker. Den Standort in der Innenstadt gaben die Sieckendieks schon nach zwei Jahren wieder auf und verlegten das Büro an ihren Stammsitz nach Peckeloh. "Wir haben einfach das Wohnzimmer ausgeräumt und das Reisebüro dadrin eröffnet", sagt sie. Und es lief.
1978 wurde mit der Einweihung der neuen Bushalle auch die MAN-Vertragswerkstatt eröffnet. Reparaturen und Ölwechsel an den Bussen waren auch schon zuvor in der eigenen Werkstatt durchgeführt worden.
In den 1980er-Jahren wuchs das Unternehmen immer mehr. Das spiegelte sich nicht nur im Bau des Bürotraktes und der Eröffnung des neuen Reisebüros am Firmensitz wider. Auch der Reisekatalog wurde immer weiter ausgebaut. "Da wurde früher viel in Handarbeit gemacht", sagt Bettina Sieckendiek und erzählt dann, wie sie gemeinsam mit ihrer Schwester aus Schreibmaschinentexten und Bildern Druckvorlagen für die Kataloge geklebt hat.
Ende der 80er-Jahre stiegen beide Schwestern ins Unternehmen mit ein - natürlich nicht, ohne auch den Busführerschein zu machen. Auch wenn sie heute nicht mehr so oft, wie sie gerne würden, hinterm Lenkrad der 16-Tonner sitzen, schwärmen alle drei Sieckendiek-Frauen vom Busfahren. "Das ist Leidenschaft pur, man hat richtig viel Platz auf der Straße", sagt Birgit Sieckendiek-Rinker und ihre Schwester Bettina ergänzt: "Im Schulbusverkehr kennt man irgendwann alle Kinder und weiß genau, wer immer zu spät zur Haltestelle kommt oder wer bestimmt wieder seinen Turnbeutel im Bus liegen lässt."
Das Jahr 1999 war ein Einschnitt für die Familie, aber auch für die Firma. Gründer Fritz Sieckendiek starb im Alter von 59 Jahren. "Da stand für uns die Welt still", sagt seine Tochter Bettina. Renate Sieckendiek und ihre beiden Töchter sowie deren Ehemänner führten das Unternehmen im Sinne des Vaters weiter. Er ist nicht nur im Firmennamen »Fritz Sieckendiek GmbH« bis heute präsent. "Wir haben auch den Tag der offenen Tür bewusst auf dieses Wochenende gelegt, weil mein Vater am 11. April 75 Jahre alt geworden wäre und das sicher auch gefeiert hätte", sagt Birgit Sieckendiek-Rinker.
Die Firma, sagen alle drei, sei ihr Leben. "Da steckt unser ganzes Herzblut drin", sagt Renate Sieckendiek, die auch heute noch Reisegruppen auf Touren persönlich betreut - sei es in der Antarktis oder in Australien. "Aber das Gleiche gilt für unsere Mitarbeiter", sagt sie und ist stolz auf jeden, der zur Sieckendiek-Familie gehört. Es ist eben wirklich ein richtiges Familienunternehmen.