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Wieder allein zu Haus

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Von Anke Schneider Borgholzhausen/Esenshamm. Es war eine Mammutaufgabe, der sich die 23-jährige Melanie Worm aus Borgholzhausen Anfang des Jahres stellte. Sie übernahm die Vormundschaft für drei von vier Kindern, die kurz hintereinander Vater und Mutter verloren hatten (das HK berichtete). Doch nun hat die junge Frau aufgegeben. "Wenn ich gewusst hätte, auf was ich mich da einlasse, hätte ich das niemals gemacht", sagt sie. So ehrenwert und edel die Motivation der in Leer stationierten Zeitsoldatin, so tief ist nun der Fall. Am Freitag packte Melanie Worm in Esenshamm ihre Sachen und kehrte den vier Geschwistern Ché (19), Camen (16), Chantal (15) und Claif (13) den Rücken. Nicht einen Tag habe sie es länger aushalten können, erklärt die junge Frau. "Ich habe mich mit jedem Tag unwohler gefühlt." Der Aufgabe sei sie einfach nicht gewachsen gewesen. "Es gab für mich keine andere Möglichkeit, als einen Schlussstrich zu ziehen." Melanie Worm hatte zum Jahreswechsel hautnah miterleben müssen, wie ihre Tante plötzlich und unerwartet an einem seltenen Herzfehler verstarb. Gerade zwei Monate vorher war ihr Onkel nach langer Krankheit gestorben. Spontan und ohne viel nachzudenken hatte Melanie Worm die Vormundschaft für die Waisen beantragt. Getrieben von dem Wunsch, dass die Kinder nicht auseinandergerissen und auf verschiedene Pflegefamilien verteilt werden sollten. Melanie Worm brach ihre Zelte in Leer ab und zog zu ihren Cousins und Cousinen nach Esenshamm. Ungeachtet der Tatsache, dass sie nun jeden Tag 100 Kilometer Arbeitsweg zurückzulegen hatte. Doch schon nach wenigen Tagen tauchten die ersten Schwierigkeiten auf. Die Vorstellungen der Borgholzhausenerin und der vier Geschwister vom Familienalltag wichen offenbar stark voneinander ab.

Es gab immer öfter Streit

Sowohl Melanie Worm als auch die vier Geschwister berichteten, dass es immer öfter Streit gab, vor allem zwischen Melanie und Ché, der sich mit seinen 19 Jahren ebenfalls für die jüngeren Geschwister verantwortlich fühlte. Es sei unter anderem um Regeln gegangen, welche die junge Frau aufgestellt hatte. Ebenso um Geld, das der Auszubildende Ché zum Haushalt beisteuern sollte, aber auch um das völlig heruntergekommene Haus, aus dem die Geschwister nicht ausziehen wollten. "Wir sollten mit ihr nach Leer ziehen, und das wollten wir nicht", berichtet Ché. "Die Kinder hätten es dort sehr schön haben können", entgegnet Melanie Worm. Mitte vergangener Woche eskalierte die Situation und die Zeitsoldatin beschloss, die Reißleine zu ziehen. "Und das, ohne uns etwas davon zu sagen", berichtet Camen Krüger sichtlich enttäuscht. "Ich wollte ihnen durch diese Art des Weggehens die Augen öffnen", erklärt Melanie Worm. Sie betont, dass sie den Kindern "nichts Böses" will. "Ich hoffe, dass sie ihren Weg machen - und dass sie ihn gut machen." Mathias Sturm vom Jugendamt des Landkreises Wesermarsch bestätigte, dass Melanie Worm die Familie verlassen hat. "Sie hat sich auch schon selbstständig an das Familiengericht gewandt, um von der Vormundschaft entbunden zu werden", sagte er. Wie es nun weitergehen kann, dazu konnte der Jugendamtsmitarbeiter zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts sagen. Man werde nun vorrangig die Möglichkeit eines neuen Einzelvormundes prüfen, sagte er. Ob die Kinder in ihrem Elternhaus in Esenshamm wohnen bleiben können, ist für das Jugendamt derzeit noch nicht zu klären. "Darauf zu antworten, wäre reine Spekulation", sagt Sturm. Es sei allerdings durchaus das Bestreben der Behörde, dass die Kinder zusammenbleiben.

Kein Zurück mehr

Rechtsanwalt Cord Harbers, der die Vermögenssorge für die Geschwister innehat, steht der neuen Situation ebenfalls ratlos gegenüber. "Was jetzt geschehen wird, dazu kann ich leider gar nichts sagen", erklärt er. Die finanzielle Lage der vier Geschwister sei jedenfalls keineswegs dramatisch. Durch die Welle der Hilfsbereitschaft, die sich nahezu durch die ganze Republik gezogen hatte, ist auf dem Spendenkonto der Krüger-Waisen eine stattliche Summe zusammengekommen, die für alle vier Kinder einen soliden Grundstock für ihren Start in ein eigenes Leben bilden könnte. Ein Zurück gibt es weder für die vier Geschwister noch für Melanie Worm. "Ich war der Sache einfach nicht gewachsen", gibt die junge Frau zu. Nun hat sie große Sorge, dass man ihr auf breiter Front Vorwürfe machen wird. Ihre Mutter Elke Worm macht jedoch deutlich: "Sie hat es wirklich versucht und ihr eigenes Leben zurückgestellt. Die Entscheidung, zu gehen, hat sie sich nicht leicht gemacht."

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