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Die Kunst der Buchstaben

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Formata und Signata heißen die beiden Lebenswerke Möllenstädts. Namen, die auch Menschen, die viel am Computer schreiben, nichts sagen dürften. Bei den üblichen Computer-Schriftsätzen sind sie nicht vorgegeben. Trotzdem tauchen diese Schriften im Alltag immer wieder auf. Formata wird zum Beispiel von der Allianz-Gruppe, Neckermann Reisen, der Postbank, dem Marktforschungsins-titut Infratest, der Süddeutschen Zeitung und dem Autohersteller Škoda verwendet. Viele große Firmen benutzen besondere Buchstabenformen, um sich mit ihren Broschüren oder Werbeanzeigen, von den typischen Computer-Schrifttypen abzuheben. Möllenstädt hat viele dieser Schriften erfunden oder überarbeitet. „Er hat jeden Buchstaben seiner Alphabete einzeln entworfen”, erzählt seine Schwester Heide Risken. Bei der Entwicklung solcher Schriften gehe es um kleinste Detail. Die Typografie-Expertin und Fachjournalistin Yvonne Schwemer-Scheddin betont in ihrem Nachruf auf den Schriftdesigner das „unbestechliche Auge” und die unermüdlichen Korrekturen, mit denen Möllenstädt seine Buchstaben bis ins kleinste Detail perfektionierte. Schriftsetzerlehre bei Kolbe-Druck Während des Zweiten Weltkriegs holte Möllenstädts Großvater die Familie in die Fleischstadt. Der Großvater - Kantor Johann Heinrich Möllenstedt - dürfte einigen älteren Versmoldern noch ein Begriff sein. Viele Jahre lebte Bernd Möllenstädt im Kantorhaus an der Petri-Kirche. Er verbrachte Kindheit und Jugend in Versmold und besuchte hier das Progymnasium. Mit 16 ging er auf ein entferntes Internat, um dort sein Abitur zu machen. Daraus wurde allerdings nichts. Der Vater starb unerwartet und Bernd Möllenstädt musste nach Versmold zurückkehren, um der Mutter, Marta Möllenstädt, im Familienbetrieb zu helfen. Sie verarbeitete Därme für die Versmolder Wurstfabriken. „Stattdessen begann er dann später eine Schriftsetzerlehre bei Kolbe-Druck”, berichtet seine Schwester. Der damalige Druckerei-Chef Werner Kolbe war Möllenstädts Onkel. Die Lehre war eine lebensentscheidende Wahl, wie sich später herausstellte. Es folgte eine Ausbildung als Schriftgestalter und später ein Studium in Berlin. Wenn Heide Risken von ihrem Bruder erzählt, erinnern die Eigenschaften, die sie ihm zuschreibt, an das Aussehen seiner Schriftarten, Formata und Sig-nata. Sie beschreibt ihn als klaren, bescheidenen Mann: „Er war sehr fleißig. Jeden Tag hat er an den Schriften gearbeitet, auch am Wochenende. Und später auch im Ruhestand”, sagt sie. „Ich habe lange gar nicht gewusst, wie erfolgreich er damit war.” Von 1968 bis 1998 leitete Möllenstädt 30 Jahre lang das Schriftenatelier der H. Berthold AG, einem renommierten Berliner Schriften- und Gerätehersteller. Dutzende von Schrifttypen hat er in seiner Zeit beeinflusst. Über die Jahrzehnte mussten Druckschriften immer weiter dem technischen Fortschritt angepasst werden - vom Bleisatz bis zum Laserdrucker. Spielte bei den Jailhouse Jazzmen Gleichzeitig hatte Bernd Möllenstädt noch eine ganz andere Seite: In Versmold kannten ihn viele Jazz-Fans als Mitbegründer der Jailhouse Jazzmen, der Band, aus der die heutige Farmhouse Jazzband hervorgegangen ist. Allerdings zeigte sich recht schnell, dass Möllenstädts künstlerisches Interesse nicht so sehr bei der Jazz-Musik lag. So konzentrierte er sich bald nur noch auf die Gestaltende Kunst. Bernd Möllenstädt starb im Alter von 70 Jahren am 13. März 2013 in seiner Wohnung in Berlin. Yvonne Schwemer-Scheddin schreibt in Möllenstädts Nachruf: „Die Lebenshaltung von Bernd Möllenstädt sollte heute zum Vorbild für kreatives Arbeiten werden.” Seine Schwester geht sogar noch weiter: „Er war ein Künstler.”

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