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Kleines Dreieck, große Debatte

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Von Marc Uthmann Halle. Eigentlich geht es doch nur um ein kleines Dreieck. Wobei es im Auge des Betrachters liegt, ob sechs Hektar nun wirklich klein sind. In Relation zu den bestehenden 35 Hektar des Ravenna-Parks sind sie das wohl. Der Haller Stadtrat machte am Mittwochabend den Weg frei für den Antrag auf Erweiterung des Interkommunalen Gewerbegebietes um genau diese Fläche. Und die Politik nutzte die Bühne für eine Grundsatzdebatte über Halles gewerbliche Entwicklung - womit besagtes Dreieck in seiner gefühlten Bedeutung plötzlich mächtig wuchs. Es war an Jochen Stoppenbrink von den Grünen, den Ring freizugeben: "Wir werden diesem Antrag bei der Bezirksregierung nicht zustimmen", sagte der Fraktionsvorsitzende. "Wir sollten zunächst die kreisweite Planung für weitere Gewerbeansiedlungen abwarten. Was den Flächenverbrauch angeht, haben wir in Halle eine Grenze erreicht." Dem mochte sich Wolfgang Bölling für die SPD nicht anschließen: "Der Ravenna-Park ist für diese Stadt eine Erfolgsgeschichte. Es macht Sinn, diesen Zipfel zu entwickeln." Doch für die weitere Zukunft empfahl Bölling den Tritt auf die Bremse: "Wir sollten künftig zwei Schritte langsamer gehen." Unabhängig davon seien die weitere Entwicklung bei Storck oder unterhalb der B 68 - zum Beispiel bei Koyo - natürlich wichtig. Mit Blick auf das Gewerbe- und Industrieflächenkonzept, das die Stadt Halle in Auftrag gegeben hat, mahnte der SPD-Sprecher allerdings Tempo an: "Wir sollten bis Sommer erste Ergebnisse vorliegen haben. Denn schließlich müssen ja auch noch die kreisweiten Konzeptionen in die Überlegungen, die wir anstellen, mit einfließen." Und dann brachte der erfahrene sozialdemokratische Stratege noch einen ganz neuen Blickwinkel in die Debatte ein: "Wir könnten uns durchaus vorstellen, dass sich die Stadt Halle anderswo auf Kreisgebiet an Kooperationsprojekten beteiligt." Die Vertreter der CDU lehnten sich mit Blick auf den Vorschlag auch verbal genüsslich zurück: "Die Erweiterung an dieser Stelle ist logisch", sagte ihr Sprecher Hendrik Schaefer. Sicher gebe es den Abwägungsprozess zwischen Flächenverbrauch und gewerblicher Entwicklung. "Aber wir müssen die sich bietenden Gelegenheiten beim Schopfe packen, um in Halle Arbeitsplätze zu schaffen." An dieser Stellungnahme galoppierte Klaus-Peter Kunze von der FDP auf der Überholspur vorbei: "Ich warne davor, mit der Ausweisung von Gewerbeflächen abzuwarten - denn die Vorgaben der Landespolitik werden immer restriktiver." Dort, wo Halle jetzt stehe, dürfe nicht Schluss sein. "Die Entwicklung muss jetzt auch kontinuierlich fortgesetzt werden." Als an dieser Stelle klare Fronten abgesteckt waren, nahm die Debatte inhaltlich an Schärfe zu. Denn Kunzes Vorpreschen mochte Jochen Stoppenbrink von den Grünen so nicht stehen lassen: "Wir müssen weg von Kirchturmdenken in der Gewerbeentwicklung und hin zu interkommunalen Projekten." Eine Aussage, von der sich Halles Bürgermeisterin Anne Rodenbrock-Wesselmann auf den Schlips getreten fühlte: "Kirchturmdenken praktizieren wir in Halle nicht. Es passiert bei uns nur gerade sehr viel. Diese Vorwürfe werden immer wieder mal von anderen Kommunen ins Spiel gebracht - aber sie stimmen nicht." In der Abstimmung blieb es bei fünf Nein-Stimmen der Grünen und einer Enthaltung. Die Stadt Halle wird also den Antrag auf Erweiterung des Ravenna-Parks um sechs Hektar stellen. Doch stand im Moment, als der Beschluss fiel, bereits fest: Er war nur der Auftakt zu einem Prozess, an dessen Ende die Haller Politik Farbe bekennen muss. Und so weist das kleine Dreieck weit in die wirtschaftliche Zukunft der Lindenstadt. KOMMENTAR SPD sucht ihre Position VON MARC UTHMANN Während im Bermuda-Dreieck der Legende nach Dinge spurlos verschwinden, fördert das ominöse Dreieck im Ravenna-Park einige Haltungen ans Tageslicht. CDU und FDP sehen sich voll auf Kurs der Verwaltung. Das zeigte sich, als der christdemokratische Sprecher Hendrik Schaefer fast eins zu eins die Rede von SPD-Bürgermeisterin Anne Rodenbrock-Wesselmann zum Richtfest bei Gerry Weber übernahm. Er warb um Verständnis für die Situation in Halle , wo sich gewerblich derzeit nun mal einiges tue. Mit solchen Bitten hielt sich Klaus-Peter Kunze (FDP) nicht auf, er gab den Wirtschaftsliberalen: mehr Gewerbe, möglichst schnell, keine Grenzen der Entwicklung. Über solche Positionen lässt sich trefflich streiten – immerhin sind sie klar formuliert. Gleiches lässt sich von der Gegenseite sagen – auch wenn sie derzeit nur von den Grünen besetzt wird. Sie sehen die Grenzen des Flächenverbrauchs erreicht und haben das mit ihrer Ablehnung klar dokumentiert. Punkt.
Und die SPD? Befindet sich offenbar in so schwieriger Lage, dass sich Sprecher Wolfgang Bölling auf das Taktieren verlegt: Ja zum Dreieck, Ja zu Storck, Ja zum Gewerbe unterhalb der B?68. Aber alles andere möge doch bitte einen Schritt langsamer erfolgen – oder gar in anderen Städten? Da will sich jemand alle Optionen offen halten und hat seine endgültige Position noch nicht gefunden.
Die Bürgermeisterin geht derweil in die Defensive. Und das ohne Not. Der vom Grünen Jochen Stoppenbrink ins Spiel gebrachte Begriff „Kirchturmdenken“ ließ sie gleich zu einer Rechtfertigungsrede ansetzen, nach dem Motto: Das werfen uns nur die anderen vor. Vielleicht sollte Anne Rodenbrock-Wesselmann offensiver zu ihrer Politik stehen – so wie es ihr allgemeiner Vertreter Jürgen Keil tut.

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