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"Kindheit hat sich verändert" - Schule spürt das

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VON KERSTIN SPIEKER Werther. "Eine Entwicklung wie in Werther haben wir in keiner anderen Schule im Kreis, das ist wirklich außergewöhnlich", kommentierte Ulrike Boden, Geschäftsführerin des AWO-Kreisverbandes Gütersloh, die hohe Zahl von Randstundenplätzen am Grundschulstandort Werther. 114 Jungen und Mädchen werden dort nach Schulschluss bis spätestens 13.15 Uhr betreut. 98 Kinder besuchen dort den Offenen Ganztag. Am Grundschulstandort Langenheide sind es dagegen 18 Randstundenkinder und 30 Jungen und Mädchen im Ganztag. Was sich hinter den nüchternen Zahlen verbirgt, darüber informierte Ulrike Boden als Vertreterin der Trägerin des Offenen Ganztags im Grundschulverbund Werther-Langenheide am Montagabend im Schulausschuss der Stadt. "Wir haben im Offenen Ganztag, wie in Schule natürlich auch, mit veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu tun, die eine Anpassung unserer pädagogischen Arbeit erfordern", eröffnete Ulrike Boden ihre Ausführungen. Da sei zum einen der Strukturwandel in den Familien zu beobachten. Die Rede sei hier von Patchworkfamilien und Einelternfamilien, die heute einfach häufiger vorkämen. Und natürlich seien auch Kinder betroffen, wenn die Lebensläufe ihrer Eltern durch Scheidung oder Arbeitslosigkeit Brüche erführen. Hinzu käme, dass seit 2004, als die AWO mit ihrer Arbeit im Bereich Offene Ganztagsschule (OGS) begann, der Anteil der Kinder, die unterhalb der Armutsgrenze leben, um zehn Prozent gestiegen sei. Auch seien heute mehr Kinder mit Migrationshintergrund zu beschulen. "Da stehen manchmal plötzlich Kinder, die kein einziges Wort Deutsch sprechen." Ulrike Boden nannte zudem das veränderte Freizeitverhalten der Kinder in der modernen Mediengesellschaft und auch das Erziehungsverhalten von Eltern als weitere Punkte, die es zu berücksichtigen gelte. "Manche Eltern scheinen Angst davor zu haben, ihre Kinder zu erziehen", so die AWO-Kreis-Geschäftsführerin. Entsprechend häufig komme es vor, dass Schule und OGS Erziehungsaufgaben zu übernehmen hätten. Die Schule mit dem Offenen Ganztag werde für immer mehr Kinder vom Lernort zu einem Lebensort. "Und darauf müssen wir unsere Angebote abstimmen." Das beginne mit dem gemeinsamen Mittagessen. "Wir achten auf eine familienähnliche Situation bei Tisch." Die Kinder übernähmen kleine Dienste wie das Beladen der Spülmaschine, schnippelten auch beim Obst und Gemüse mit, und manches Kind müsse auch noch den Umgang mit Messer und Gabel erlernen. Auch die Hausaufgaben würden in der OGS erledigt - unter Aufsicht, aber selbstständig. "Nicht alle Eltern sind damit einverstanden, aber wir meinen, dass Kinder eine eigenständige Arbeitsweise entwickeln sollten." Mit Unterstützung von Kooperationspartnern vor Ort bietet die AWO den Kindern nachmittags zudem Arbeitsgemeinschaften zu Themen wie Schach, Naturwissenschaften, Sport, Töpfern oder Malen an. Darüber hinaus sei das freie Spiel ein wichtiger Faktor. "Auch dabei lernen Kinder eine Menge und sei es, dass man Kompromisse finden muss und zu teilen lernt", erklärte Boden. Ein Ferienbetreuungsangebot, die Arbeit mit den Eltern sowie die Verzahnung mit Schule seien weitere wichtige Bausteine, damit Kinder in der OGS gut aufgehoben seien. In Werther sei die Situation auf Grund der sozialen Struktur der Bevölkerung noch einmal eine besondere. So gebe es offenbar eine große Anzahl von Eltern mit einem überdurchschnittlichen Einkommen. Der Anteil der einkommensgestaffelten Elternbeiträge liege jedenfalls in der Finanzierung der OGS in Werther so hoch, dass die Stadt dadurch eine vergleichsweise hohe Entlastung erführe. Die 114 Kinder im Randstundenbereich bedeuteten auch, dass diese Kinder nicht in die OGS gingen. Meist arbeiteten ihre Mütter halbe Tage und benötigten die Randstunde, um die Zeit zwischen dem Unterrichtsende und ihrem eigenen Arbeitszeitende zu überbrücken.

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