Von Anke von Legat
Halle/Herford. "Mit den Weibern sing ich nicht!" Dieser Satz wurde für Burghard Schloemann zum Schicksal. Gerade hatte er im Jahr 1961 die Stelle eines Kantors in Halle übernommen, als ein Junge im Kinderchor gegen diese Zumutung aufbegehrte. Schloemann zögerte nicht - und gründete einen Knabenchor. Heute wird der Kirchenmusiker, Komponist und Organist 80 Jahre alt.
"Mittwochs waren damals immer die Pokalspiele im Fußball", erinnert sich Burkhard Schloemann, der in den 1970er Jahren auch am Kreisgymnasium Halle Musikunterricht gab. "Ich habe den Jungs gesagt: Die zweite Halbzeit will ich auch sehen, aber in der ersten kommt ihr noch zum Singen." Und sie kamen - anfangs drei, später 70.
Dem Singen mit Kindern galt Schloemanns ganze Liebe. Sein Vorbild: Johann Sebastian Bach, der bis ins hohe Alter hinein die Knaben der Thomasschule in Leipzig in Musik unterrichtete. Ein Kantor muss "Melodien in die Kinder pflanzen". Einfach singen, ohne Anspruch auf Perfektion, ohne Mikrofon oder große Events. "Wer Woche für Woche vor den Kindern steht, braucht etwas, das trägt", sagt Schloemann. An erster Stelle Choräle, aber auch Volkslieder, Kanons, Spirituals - "sind die Melodien einmal vertraut, dann arbeiten sie weiter", ist er überzeugt.
Seine musikalische Arbeit mit Kindern wurde weit über die Grenzen von Halle hinaus bekannt. Vikarskurse und Kirchenmusikstudenten kamen, um zu verstehen, wie das funktioniert: Woche für Woche über zweihundert Kinder bei den Proben, dazu die Musikschule der Johanniskantorei. Möglich war das vor allem durch die unermüdliche Energie und die Begeisterung des Kantors - und, so betont er, durch die Mithilfe seiner Frau Elisabeth.
Für Burkhard Schloemann, der in Höxter in einem Pfarrhaus aufgewachsen ist, steht das Evangelium im Zentrum seines Lebens und seiner Arbeit. Kirchenmusik muss Verkündigung sein, das Wort Gottes in den Mittelpunkt stellen, so seine Überzeugung - und gleichzeitig hat die Musik ihre eigene Sprache, die über die Worte hinausgeht. Welche Musik dafür angemessen ist, darüber kann er bis heute beredt streiten. Popmusik war seine Sache nie: zu arm, zu mechanisch in Form und Inhalt. Mit dieser Meinung hielt er nie hinterm Berg.
Schloemann brachte nicht nur Kinder zum Singen. In Halle entstanden mehrere Chöre für Erwachsene. 1964 gründete er die »Haller Bach-Tage«, die bis heute jährlich stattfinden.
Bereits seit 1961 war Schloemann auch als Dozent an der Hochschule für Kirchenmusik in Herford tätig. 1982 wechselte er hauptberuflich dorthin und war ab 1991 Professor für Tonsatz. Vor dem Hintergrund seiner praktischen Erfahrung und mit seiner Überzeugung, dass Kirchenmusik Verkündigung ist, inspirierte er viele junge Kirchenmusiker, auch mit internationaler Vortragstätigkeit. In seiner Herforder Zeit fand er, mehr noch als in Halle, die Ruhe, selbst zu komponieren - fast immer auf der Grundlage von Bibeltexten oder Chorälen. Seine Haller Evangelienmusiken, Kantaten und Choralmotetten sind als Musik für den Gottesdienst häufig stark von den Bedingungen vor Ort geprägt: Als ihm in Halle seine beiden Tenöre verlorengingen, komponierte er Werke für dreistimmigen Chor. In Herford entstanden weitere Werke für Chor, Soli und Orchester, aber auch reine Instrumentalmusik. Zahlreiche Sätze sind etwa im aktuellen Choralbuch für Posaunenchöre abgedruckt.
Seit dem Jahr 2000 ist Burk-hard Schloemann im Ruhestand, doch Untätigkeit ist nichts für ihn. So manche Nacht sitzt er über seinen Noten. "Komponieren ist jetzt mein Hauptjob", sagt er - springt auf und setzt sich ans Klavier.
Feiern wird er seinen 80. Geburtstag heute nicht, denn durch den überraschenden Tod seiner Frau Elisabeth am vergangenen Sonntag, kurz nach ihrem 84. Geburtstag, wird aus dem Festtag ein Tag der Trauer. Heute Mittag wird Elisabeth Schloemann in Herford beigesetzt.