Quantcast
Channel: Haller Kreisblatt
Viewing all articles
Browse latest Browse all 3262

Training für das Zentrum des Lebens

$
0
0
Wenn es um das Thema Herzoperationen geht, ist Manfred Moos ein alter Hase. Drei OPs hat der 77-Jährige hinter sich. Drei Bypässe und eine neue Herzklappe sorgen dafür, dass sein Herz nach wie vor seinen Dienst tut. „1990, als die erste Operation anstand, gab es hier keine Möglichkeiten für eine Operation; mein Arzt hat mir damals empfohlen, entweder in eine Klinik nach London oder in die Schweiz zu gehen, und auch dort musste ich ein halbes Jahr auf einen Termin warten”, erzählt er. Heute ist nur noch schwer vorstellbar, dass die Herzchirurgie in Deutschland zu dieser Zeit noch kaum entwickelt war und viele Herzpatienten nicht mehr die Chance auf eine lebensrettende Operation hatten. Wenn Manfred Moos seine Geschichte erzählt, erntet er verständnisvolles Nicken in der Runde. Jeder hier hat Ähnliches erlebt und beinahe jedes dieser Erlebnisse ist mit dramatischen Stunden gefüllt. Zwar sollen der Sport und der Spaß bei den Herzsportgruppen im Vordergrund stehen, doch die psychosoziale Komponente sei nicht zu unterschätzen, sagt Barbara Horst, die eine von vier Therapeuten ist, die den gymnastischen Teil der Stunde bestreiten. „Hier sehen die Teilnehmer viele andere, die eine schwere Herzerkrankung oder OP hinter sich haben - und sie sehen, wie fit und lebensfroh man damit sein kann.” Wichtige Unterstützung komme dabei von Gruppenleiterin Ursula Engelking, betont Barbara Horst. Die stellvertretende Vorsitzende des
Versmolder Ortsverbandes des Deutschen Roten Kreuzes (DRK)
hat die Herzsportgruppen nicht nur vor 18 Jahren ins Leben gerufen, sie ist auch immer präsent und als Psychologin eine wichtige Ansprechpartnerin für die Teilnehmer der Gruppe. „Wir haben junge Leute hier, die mehrmals reanimiert wurden; nach solchen Nahtoderlebnissen braucht man einen Ansprechpartner”, sagt Ursula Engelking. „Die Angst bleibt immer” Auch die Operationen seien für viele nicht immer leicht zu verkraften. „Das muss man erst mal verarbeiten, dass einem das Brustbein geöffnet wurde und das Herz offen liegt”, sagt Ursula Engelking, denn das Herz sei schließlich das gefühlte Zentrum des Lebens. „Die Angst bleibt immer”, bestätigt Fritz Holtkamp, der nicht nur Versmolds DRK-Vorsitzender ist, sondern auch Teilnehmer der Gruppe, seit ihm drei Stents eingesetzt wurden, die seine Herzkranzgefäße offen halten. „Bei jedem Zwicken denkt man, es könnte etwas mit dem Herzen nicht stimmen”, sagt der 73-Jährige. „Das Herz ist immerhin das zentrale Organ”, sagt auch Martin Ellerbeck, der mit 88 Jahren der älteste Teilnehmer der Gruppen ist. Ihm hilft das Training in den Herzsportgruppen noch in anderer Hinsicht. „Ich bleibe aktiv, und es fördert auch das Gedächtnis”, sagt er. Ein nützlicher Nebeneffekt. Doch in erster Linie geht es natürlich um das Herz. Studien belegen, dass Teilnehmer an Herzsportgruppen weit weniger infarktgefährdet sind als andere Herzpatienten. In Gymnastikeinheiten mit den Schwerpunkten Koordination und Dehnung lernen die Herzsportler beispielsweise, sich ökonomisch zu bewegen, was im Alltag dem Herzen zugute kommt. Zu jeder Stunde gehören außerdem etwa 20 Minuten Ausdauertraining auf dem Ergometer. Damit sich dabei niemand überfordert, ist stets ein Arzt vor Ort, der den Blutdruck misst und gegebenenfalls das Training einschränkt. „Dass unter ärztlicher Aufsicht trainiert wird, ist eine Besonderheit von Herzsport, der unsere Gruppen von einem Angebot im Fitnessstudio unterscheidet”, betont Ursula Engelking. Zudem muss immer ein Notfallkoffer bereitgestellt werden, mit besonderen Herzmedikamenten und Geräten, die im Notfall Leben retten können. Denn die Gefahr eines Re-Infarktes oder Kreislaufproblemen schwingt stets mit. Deshalb ist das regelmäßige Training umso wichtiger. „Die Gruppe hilft auf jeden Fall, den inneren Schweinehund zu überwinden, wenn man einmal keine Lust aufs Training hat”, sagt Elsbeth Bartsch, die zwei Infarkte hinter sich hat. Aber noch eine Motivation nennt die 71-Jährige, die alle Teilnehmer gemeinsam haben: „Der Infarkt, das war ein richtiger Schuss vor den Bug.”

Viewing all articles
Browse latest Browse all 3262