Halle (maut).
Ein gewisser Stolz ist Jochen Strieckmann schon anzusehen, als er das Zahlenwerk auf den Tisch legt. Dabei präsentiertHalles Kämmerer gerade den Jahresabschluss der Stadt für das Jahr 2012. Zwei Fragen drängen sich spontan auf. Erstens: Sind diese Zahlen - der Karnevalssaison angemessen - nicht längst olle Kamellen? Und zweitens: Warum hat es so lange gedauert, bis die Finanzverwaltung sie vorlegt? Im Gespräch mit dem Haller Kreisblatt spricht Jochen Strieckmann offen über die Verzögerung und erklärt, wie wertvoll die »ollen Kamellen« für die Zukunft noch sein können.
Es ist in gewisser Weise eine Aufholjagd, die Strieckmann und sein Team seit Monaten betreiben. "Wir hatten und haben in diesem Bereich viele Arbeitsrückstände", sagt der Kämmerer, der sich des Projektes angenommen hat. Denn seit der Umstellung der städtischen Haushaltsführung auf die doppelte Buchführung - das sogenannte Neue Kommunale Finanzmanagement (NKF) - hinkt die Stadt ihren Verpflichtungen hinterher. Die Eröffnungsbilanz, eine Bestandsaufnahme des gesamten Vermögens der Stadt zum 1. Januar 2008, wurde erst im Juni 2013 festgestellt. Der Jahresabschluss 2008 folgte im Dezember 2013.
Doch seitdem haben der stellvertretende Kämmerer Thomas Krömer und sein dreiköpfiges Team ein enormes Tempo vorgelegt: Im vergangenen Jahr brachten sie vier Jahresabschlüsse zu je 300 Seiten auf den Weg - die Zahlen von 2012 sollen plangemäß Ende März vom Stadtrat festgestellt werden.
"Damit sind wir nicht die Letzten im Kreis Gütersloh ", betont Halles Finanzchef Jochen Strieckmann und verweist auf die dafür nötigen Anstrengungen: "Wir haben zusätzliches Personal benötigt, es sind dennoch viele Sonderschichten und Überstunden angefallen." Parallel dazu brachte das Team auch die Jahresabschlüsse des Schulverbandes von 2008 bis 2013 unter Dach und Fach.
Doch damit ist das Ende des Zahlendschungels noch nicht erreicht. "Wir hoffen, die Jahresabschlüsse für 2013 und 2014 noch in diesem Jahr fertigzustellen", so Strieckmann. Doch dann blieben noch die Gesamtabschlüsse übrig ... "Sie beinhalten neben dem Kernetat der Stadt auch die Beteiligungen und müssen ab 2010 erstellt werden", sagt der Kämmerer. Vor der Finanzverwaltung liegen also noch einige Etappen der Aufholjagd.
Lohn wäre eine komplette Buchführung - und warum die so wichtig ist, erläutert Jochen Strieckmann. "Zum einen kommen wir damit den Bestimmungen der Kommunalaufsicht nach. Zum anderen gewinnen wir über die Jahresabschlüsse wichtige Kennzahlen. So können wir Entwicklungen aufzeigen und künftige Entscheidungen steuern." Klingt doch sehr theoretisch, lässt sich aber an handfesten Beispielen verdeutlichen: So wies Halle 2012 mit Blick auf seine Einnahmen eine Netto-Steuerquote von 70,61 Prozent auf. "Das heißt, dass Halle von der Gewerbesteuer lebt", erklärt der Kämmerer. Von Zuwendungen hängt die Stadt hingegen nur zu knapp drei Prozent ab. Auch die Eigenkapitalquote gibt Aufschluss über die finanzielle Gesundheit einer Stadt: 2012 lag sie bei 60,67 Prozent - zuzüglich Zuwendungen und Beiträgen sogar bei hervorragenden 86,42 Prozent.
Der Jahresabschluss ermöglicht auch genauen Überblick über die Entwicklung der Liquidität und der Verschuldung - der Blick auf 2012 beweist: Halle ist mehr als »flüssig« und die Effektivverschuldung von 15 Millionen Euro ist im Wesentlichen durch notwendige Pensionsrückstellungen geprägt.
"Mit solchen Zahlen kann ich auch gegenüber Politik und Öffentlichkeit argumentieren und Entscheidungen begründen", sagt Strieckmann. Er scheut sich nicht, den Finger in Haller Wunden zu legen. "Zum einen haben wir durch Sondereffekte 2012 sogar an Vermögen verloren. Zum anderen müssen wir in der Kalkulation deutlich besser werden." So habe die Stadt 2012 mit Auszahlungen für Baumaßnahmen von zwölf Millionen Euro gerechnet - aber nur gut vier Millionen in Anspruch genommen. "Da müssen wir genauer planen", fordert Strieckmann von sich und der Stadtverwaltung.
Die These vom reichen Halle - sie lässt sich mit Blick auf den Jahresabschluss 2012 also durchaus halten. Aber mit Hilfe der finalen Zahlen bleiben eben auch Tendenzen im Radar, die ein Ende der goldenen Zeit einläuten könnten.