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Statt Demut weitere Straftaten

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Von Anke Schneider

Halle/

Bielefeld.
Mit Erleichterung reagierte gestern eine 52-jährige Frau aus Borgholzhausen auf eine Entscheidung des Schöffengerichts in
Bielefeld.
Es verurteilte einen 21-jährigen Steinhagener, der am 6. März 2013 auf der B 68 in Halle einen Unfall verursacht hat, der ihrem Mann das Leben kostete. Mit zwei Jahren Jugendstrafe auf Bewährung und zwei Wochen Dauerarrest ging das Gericht weit über das Strafmaß der Staatsanwältin hinaus, die ein Jahr auf Bewährung gefordert hatte.

Der Beschuldigte war an besagtem Tag mit seinem Auto auf der B 68 aus Richtung Steinhagen kommend Richtung Halle unterwegs gewesen. Als er nach links in die Dürrkoppstraße einbog, übersah er einen 50-jährigen Motorradfahrer aus Borgholzhausen, der in Richtung Steinhagen fuhr. Durch die Wucht der Kollision wurde der Motorradfahrer von seinem Zweirad geschleudert, flog über einen in der Dürrkoppstraße wartenden Mercedes hinweg und kam so unglücklich auf, dass er einen Genickbruch erlitt und auf der Stelle tot war.

Ein Zeuge berichtete in dem Prozess, dass ihm der Angeklagte auf der B 68 schon vorher durch wagemutiges Überholen im Überholverbot aufgefallen sei. Ein anderer schilderte, dass sich der 21-Jährige nach dem Unfall zunächst um sein Auto gekümmert habe, anstatt nach dem Unfallopfer zu sehen. In der Verhandlung bezeichnete der junge Mann den Unfall als ein tragisches Unglück, das er nicht habe verhindern können. Ein Gutachter stellte jedoch fest, dass der Unfall für den Angeklagten vermeidbar gewesen sei. Dass er den Motorradfahrer habe sehen können und müssen.

Als Ausdruck für die Unreife und Verantwortungslosigkeit des Steinhageners wertete das Gericht die Tatsache, dass der Steinhagener in dem Jahr nach dem Unfall weitere zehn Straftaten begangen hat. Am 1. Mai soll er auf einer Hofeinfahrt derart forsch auf eine 18-Jährige zugefahren sein, dass die sich in größter Gefahr wähnte. In der Verhandlung gab sie an, dass sie sich nur durch einen schnellen Schritt zur Seite habe retten können.

Am 5. September hat der Beschuldigte in Steinhagen einen Fahrradfahrer angefahren. "Auch dieser Unfall war für Sie vermeidbar", sagte die Richterin. In der Anklage fanden sich weitere Vorwürfe wegen Tankbetruges, Fahren ohne Fahrerlaubnis und Diebstahl. In seinem Ausbildungsbetrieb, einem Haller Autohandel, hatte der 21-Jährige Felgen und Reifen gestohlen.

Die Staatsanwältin forderte ein Jahr Jugendstrafe auf Bewährung wegen fahrlässiger Tötung, Körperverletzung, Betruges, Diebstahls und Fahren ohne Fahrerlaubnis. Bewährungsauflagen beantragte sie nicht. Nach dem Plädoyer der Staatsanwältin ergriff die Witwe das Wort und forderte eine deutlich höhere Strafe für den jungen Mann. Die Verteidigerin pflichtete ihr sogar bei und stellte fest, dass der Prozess für den Steinhagener "eine reine Spaßveranstaltung" sei, wenn seine Taten keine spürbaren Konsequenzen hätten.

Die Verteidigerin des Mannes führte aus, dass sechs Monate Haft auf Bewährung ausreichen müssten. Sie berichtete, dass der Steinhagener sehr unter der Geschichte leide und nun ein Leben lang damit klarkommen müsse, für den Tod eines Menschen verantwortlich zu sein. Er habe sich deswegen sogar schon in psychiatrische Behandlung begeben müssen.

Nach einer Stunde Pause verkündete das Gericht das Urteil, das die Richterin mit einer gepfefferten Moralpredigt würzte. Zwei Jahre Jugendstrafe auf Bewährung und zwei Wochen Dauerrest verhängte sie, dazu eine Sperre für den Führerschein von noch drei Jahren. Obendrauf kam eine Liste an Bewährungsauflagen: 150 Sozialstunden, die Teilnahme an einem Verkehrserziehungskurs und die Zusammenarbeit mit einem Bewährungshelfer für drei Jahre. Zusätzlich muss sich der junge Mann ernsthaft um Arbeit bemühen und dies monatlich in Form von abgeschickten Bewerbungen nachweisen.

Dass der Beschuldigte nach dem tragischen Unfall weitere Straftaten begangen habe, wohl wissend, dass ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung gegen ihn laufe, sei für das Gericht nicht nachvollziehbar, sagte die Richterin. "Sie haben nicht gelernt, sich Ihrer Verantwortung zu stellen."


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