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Auf dem Weg zu einer Kneipe

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Von Jonas Damme

Steinhagen.
Ob er früher viel Zeit in der Kneipe verbracht hätte, fragt Altenzentrumsleiterin Sabine Weitzel-Schellin: Nein, dafür sei keine Zeit gewesen, dementiert Bewohner Günter Peperkorn. Zeit haben er und die anderen Bewohner des Matthias-Claudius-Hauses mittlerweile aber reichlich - da ist es nur logisch, dass sie das verpasste Feierabendbier nun, an ihrem Lebensabend, nachholen. Und um das tun zu können, haben sich einige männliche Bewohner des Hauses zusammengetan. Sie bauen sich ihre eigene Kneipe.

Wer nun behauptet, eine Kneipe mit Alkoholausschank würde dem Pflegeauftrag des Matthias-Claudius-Hauses zuwiderlaufen, hat Günter Peperkorn, Albert Schmidt, Bernd Schmiegel und Otto Findling nicht bei der Arbeit gesehen. So weit es möglich ist in Eigenregie, aber mit tatkräftiger Unterstützung von Betreuerin Ina Heilmann-Sewing, zimmern sie gegenwärtig in ihrem Raum, den sie von der Hausleitung zugeteilt bekommen haben, am Tresen.

Die Idee war schon im vergangenen Jahr aufgekommen. "Der Männeranteil bei uns steigt", erklärt Sabine Weitzel-Schellin. Und darauf müsse man sich auch im Betreuungsangebot einstellen. Während der Fußball-WM sahen sich bereits viele Bewohner gemeinsam die Spiele an. Die Räumlichkeiten dafür seien allerdings noch verbesserungsfähig gewesen. "Also haben wir uns gefragt: Wo haben sie früher wohl gemeinsam Fußball gesehen?", sagt Weitzel-Schellin. "Und das war natürlich in der Kneipe!"

Es habe sich gut getroffen, dass einige Herren sehr motiviert gewesen seien, sich handwerklich einzubringen. Als im Oktober dann mit Ina Heilmann-Sewing eine gelernte Architektin als Betreuerin im Matthias-Claudius-Haus anfing, wurde es schnell konkret.

Einen Raum gab es und das gestalterische Konzept war schnell erarbeitet. "Wir wollen es in der Art der 50er-Jahre halten", erklärt Bernd Schmiegel mit einem Lächeln. Grund dafür ist, dass sie mit Glück an das alte Inventar einer altgedienten Kneipe kommen konnten. Aschenbecher, Gläser, Stühle und mehr stammen aus dem Gasthof Bermpohl in Friedrichsdorf.

Die Theke haben die Herren selbst gebaut, Grundlage war eine alte Kommode, auf die eine Platte aufgesetzt wurde. Sie soll sogar noch eine besondere, seniorengerechte Eigenheit bekommen. "Unsere Theke wird zweistöckig", erklärt Ina Heilmann-Sewing. Die untere Etage solle die passende Höhe für Rollstuhlfahrer haben. Des Weiteren sind noch ein Dart-Automat, ein großer Fernseher zum Fußballgucken und eine Sitzgruppe für den Stammtisch geplant. "Ein Flipper und ein Spielautomat wären natürlich auch gut", ergänzt Schmiegel. Dafür dürfte es in den rund 25 Quadratmetern dann aber doch zu eng werden. Gesucht wird übrigens noch ein funktionsfähiger Nussspender, wie es ihn früher in jeder Kneipe gegeben hat.

Sogar eine Zapfanlage wurde dem Team schon in Aussicht gestellt. Die wird es nun aber doch nicht geben, mangels Schanklizenz. Also wird das Bier eben aus der Flasche ausgeschenkt und das geht natürlich schon während der Bauarbeiten - quasi als Stärkung. Und auch ohne frisch Gezapftes hat die Matthias-Claudius-Kneipe allen anderen gegenüber einen haushohen Vorteil: Das Bier ist umsonst. Aber nur für Bewohner.

Bis die Kneipe ganz fertig ist, kann es noch etwas dauern. Das findet Sabine Weitzel-Schellin aber nicht weiter tragisch. Da die Herren bei ihrer handwerklichen Aufgabe durchaus aufblühen, findet sie: "Der Weg ist das Ziel."


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