von Alexander Heim
Werther.
Wer im Altkreis Halle die Augen offen hält, der vermag ihn hier und da anzutreffen. Die Förderschule inVersmold-Oesterweg
trägt seinen Namen. Und auch eines der Altenheime in Steinhagen hat sich nach ihm benannt. Mit »Der Mond ist aufgegangen« ist der Name Matthias Claudius so untrennbar verbunden, wie mit kaum einem anderen Stück sonst. Kein Wunder also, dass die rund 65 Besucher im evangelischen Gemeindehaus am Freitagabend auch spontan, textsicher und kräftig einzustimmen wussten, als Christian Casdorff das berühmte Lied auf dem Steinway-Flügel anspielte. Ein launiger Abend der tiefen Einblicke in ein Leben, das dem Tode des Öfteren ins Auge schauen musste.Was Casdorff selbst so sehr an Matthias Claudius fasziniert? "Dass er einfach sprechen kann und dabei nicht vereinfacht. Er macht die Dinge wunderbar geheimnisvoll", erklärt Christian Casdorff seine eigene Leidenschaft für den Dichter. "Er war sehr musikalisch, zwar Pastorensohn, aber kein Frömmler. Und sehr tolerant, weil er im Glauben gefestigt war. Er konnte sich auch für andere Religionen interessieren."
Am 15. August 1740 - da hatte der preußische König Friedrich II. gerade den Thron bestiegen - wurde Matthias Claudius in Reinfeld (Holstein) geboren. Am 21. Januar jährte sich nun sein Todestag zum 200. Mal. Anlass genug, fand Pastor Holger Hanke, mit Christian Casdorff einen alten Studienfreund nach Werther einzuladen, der auf besonders lebhafte Weise in das Wirken des Dichters und Journalisten einzuführen vermag.
"Das Sterben", erläuterte Christian Casdorff, "ist bei Matthias Claudius immer wieder Thema." Dabei sei der Tod der Grund gewesen, "warum er so lebensfroh durch sein eigenes Leben gegangen ist". Mehrere Geschwister starben. Auch seinen ältesten Sohn Johannes und, später, seine Tochter Christiane, musste Matthias Claudius zu Grabe tragen. Die Verbindung mit seiner Frau Rebecca, der er mehrere Gedichte widmete, sei indes - aller schwierigen wirtschaftlichen Zeiten zum Trotz - eine lebenslange Liebesgeschichte gewesen.
"Wir verstehen Matthias Claudius nicht, wenn wir ihn nicht als Sehnenden verstehen", führte der 50-jährige Pfarrer im Entsendungsdienst, der in Bad Sassendorf in sechs verschiedenen Reha-Kliniken tätig ist, aus. Für Matthias Claudius, so erläuterte Casdorff, habe es so etwas wie "ein Vorabecho der Ewigkeit in das irdische Leben gegeben. Es war ein Hineinschauen in die Ewigkeit, bei dem die Sterne die Fenster sind", erklärte er den gebannt lauschenden Besuchern im Gemeindehaus.
Anhand unterschiedlichster Texte und Dichtungen Matthias Claudius’ nahm Christian Casdorff die Besucher mit auf eine Zeitreise durch das Leben des zwölffachen Vaters, erläuterte dabei eigene Interpretationen der einzelnen Strophen des berühmten »Der Mond ist aufgegangen«, das er natürlich auch - und ganz spontan gemeinsam mit seinen Zuhörern - anstimmte. Doch auch die von Claudius’ Freund Johann Friedrich Reichardt (1752- 1814) (»Bunt sind schon die Wälder«) (»Schlaf’, Kindlein, schlaf’«) ersonnene Melodie zu dem Gedicht ließ Christian Casdorff erklingen. Mit großer Lebhaftigkeit präsentierte er Gedichte wie »Frau Rebecca« oder »Die Sternseherin Lise«, hüllte sie in das tonale Gewand von »Ich singe dir mit Herz und Mund« und steckte dabei mit seiner merklichen Begeisterung für Mathias Claudius unweigerlich Stück um Stück an.
Für Christian Casdorff gibt es einen "Claudius-Sound". "Der ist einfach - aber nicht naiv. Claudius hat so viel nachgedacht, dass er beim Einfachen gelandet ist. Zwischen den Zeilen gibt es so viel Geheimnis zu lesen. Und dann - ist man dem Kerl einfach verfallen."