Von Marc Uthmann
Halle.
Dass schlechte Nachrichten aus der Nachbarschaft gute für das Haller Krankenhaus sind, würden die Verantwortlichen offiziell niemals bestätigen. Doch sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache: Seit der Schließung des Dissener Krankenhauses Ende Oktober bekommt das Klinikum Halle verstärkt Zulauf von Patienten aus dem angrenzenden Niedersachsen. So trägt ein schmerzhafter Prozess 20 Kilometer entfernt auch zur Standortsicherung in der Lindenstadt bei. Nötig habe man das nicht gehabt, betont Pressesprecher Axel Dittmar - auf der anderen Seite werde man die zusätzlichen Patientenströme auch bewältigen."Es ist in der Tat so, dass wir seit November monatlich 20 bis 30 Patienten mehr als bisher aus Dissen und Umgebung haben", sagt Dittmar auf Anfrage des Haller Kreisblattes. Der Zulauf betreffe sowohl den internistischen als auch den chirurgischen Bereich. Nach HK-Informationen wird das Haller Krankenhaus unter anderem nach Betriebsunfällen in Dissener Unternehmen nun stärker frequentiert. Was zu erwarten war, immerhin soll auf Empfehlung des niedersächsischen Sozialministeriums in Notfällen explizit Halle angesteuert werden.
"Und es zeichnet sich ab, dass auch unsere Geburtsabteilung stärker frequentiert wird", so Dittmar. Eine Bestandsaufnahme, die ebenso nicht überraschend kommt, stellt Halle für viele Patienten aus der Region nach der Schließung der Geburtshilfen in Dissen und Warendorf doch die einzig verbliebene Anlaufstelle dar. Ein Effekt, der den Verantwortlichen auf keinen Fall ungelegen kommen dürfte. Nach einem Bericht der Apotheken-Umschau arbeitete die Geburtsstation des Klinikums in den vergangenen Jahren mit "lediglich 400 bis 500 Geburten am Rand der Wirtschaftlichkeit".
Das Apotheken-Magazin hatte den Krankenhäusern Halle und Dissen in seiner Titelgeschichte »Kliniksterben« gleich eine ganze Doppelseite gewidmet - und sie treffenderweise mit »Gewinner und Verlierer« überschrieben. Diese Darstellung geht Axel Dittmar dann doch ein bisschen zu weit - er sieht den Standort Halle des Klinikums Ravensberg auch ohne Sondereffekte wie die Schließung in Dissen gut aufgestellt. "Dieser Standort ist nie in seinem Bestand bedroht gewesen und Halle hat gerade im vergangenen Jahr eine gute Entwicklung genommen." Das gelte sowohl für die Patientenzahl als auch für die wirtschaftlichen Kennzahlen.
Lassen sich die zusätzlichen Patientenströme dann überhaupt bewältigen? "Der Wegfall des Dissener Krankenhauses wird ja von verschiedenen Häusern in der Region aufgefangen", so Dittmar. "Momentan sind wir in der Lage, den verstärkten Zulauf mit unseren vorhandenen Kapazitäten abzuwickeln. Sollten es aber monatlich 30 bis 60 Patienten mehr werden, müsste man sich Gedanken machen." Dass es Überlegungen gab, angesichts des Ansturms den Umbau von Station 5 zur Geriatrie auf Eis zu legen, um zusätzliche Betten freizubekommen, dementiert Dittmar. "Die Kernsanierung soll planmäßig zur Jahreshälfte abgeschlossen sein."
Die Modernisierung geht weiter, nun profitiert das Haus auch noch von zusätzlichen Patienten. Es scheint, als behaupte sich der kleine Standort des Klinikums Bielefeld derzeit ganz gut: Die Angst vor einer Schließung in Halle sind laut Apotheken-Umschau zuletzt jedenfalls verstummt. Die Rahmenbedingungen blieben indes schwierig, wie Axel Dittmar betont: "Die Politik sollte das Thema Krankenhausfinanzierung endlich angehen. Es kann nicht sein, dass Häuser immer mehr Patienten betreuen, aber dabei unter dem Strich für sie weniger bleibt." Ein Appell, der für den einstigen Konkurrenten Dissen zu spät kommt.