Quantcast
Channel: Haller Kreisblatt
Viewing all articles
Browse latest Browse all 3262

Stadt muss Tempogrenze erhöhen

$
0
0
Von Uwe Pollmeier
Versmold.
Ein Junge passt den Fußball zu seinem Vater, während ein sich nähernder Autofahrer den Spielzug geduldig abwartet - diese Szene vom blau-weißen Spielstraßenschild hat in der Praxis wohl selten in Versmolds Innenstadt stattgefunden. Hätte sie aber theoretisch können, schließlich sind Berliner Straße und Münsterstraße seit rund 20 Jahren als verkehrsberuhigte Zone ausgeschildert. Wohl noch in diesem Jahr dürfte es mit der Asphaltidylle vorbei sein. Grund ist der Beschluss einer landesweiten Verkehrsingenieursbesprechung aus dem Jahr 2013, die eine Parkraumbewirtschaftung in Kombination mit einer Tempo-Sieben-Zone ausschließt. "So wie wir das bisher gehandhabt haben, geht es zukünftig nicht mehr", sagt Bauamtsleiterin Nina Herrling. Mittlerweile habe sich die Auffassung geändert. Die Verkehrsingenieure hätten bei ihrem Treffen festgestellt, dass eine Spielstraße ein Bereich sei, in dem ausschließlich Anwohner ohne Zeitbegrenzung parken dürfen. "Eine Parkraumbewirtschaftung wird somit ausgeschlossen", sagt Herrling. Aber genau die betreibt die Stadt Versmold in Form von Parkscheibenpflicht und zweistündiger Maximalparkdauer. "Diese wollen wir aber auf gar keinen Fall aufgeben", sagt Herrling. Schließlich schätzten es die Versmolder, direkt vor den Geschäften parken zu können und den Geschäftsleuten wiederum ist daran gelegen, Dauerparker vor ihren Eingangstüren fernzuhalten. Der Kreis Gütersloh, der für die Regelung des Straßenverkehrs verantwortlich ist, steht nun in der Pflicht, den aktuellen Erlass umzusetzen. Er hat daher die betroffenen Kommunen im Kreis im vergangenen Jahr angeschrieben, um auf die Problematik hinzuweisen. "Wir haben gemeinsam mit den Kommunen Lösungsvorschläge erarbeitet, um zu sehen, wie wir auf den Erlass reagieren können", sagt Jan Focken, Pressesprecher des Kreises. Als Alternative zur Aufhebung der Parkraumbewirtschaftung wäre eine Erhöhung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit denkbar. Die Umwandlung der derzeitigen Spielstraße (7 km/h) in eine Tempo-10- oder Tempo-20-Zone und somit eines verkehrsberuhigten Geschäftsbereichs wäre schon ausreichend, um den Anforderungen der Verkehrsingenieure gerecht zu werden. Der Kreis Gütersloh hat zunächst, in Anlehnung an das derzeit real gefahrene Geschwindigkeitsniveau in der Versmolder Innenstadt, die Ausweisung einer Tempo-20-Zone empfohlen. "Wir bevorzugen jedoch die Tempo-10-Zone", sagt hingegen Nina Herrling. Dies habe man dem Kreis auch bereits mitgeteilt. "Uns wurde auch schon signalisiert, dass dies in Ordnung sei", sagt Herrling. Neben den Umbeschilderungen muss zukünftig auch eine eindeutige Trennung von Fahrbahn und Fußgängerbereich erfolgen. Derzeit sind noch alle sich auf der Spielstraße bewegenden Verkehrsteilnehmer vom Autofahrer bis zum Fußgänger gleichberechtigt. Der Planungsausschuss wird in seiner Sitzung am kommenden Mittwoch, 28. Januar, entscheiden, wie man den Vorgaben der Verkehrsingenieure entsprechen kann. "Finanziell gesehen ist das kein großer Aufwand", sagt Herrling. Ein Schmunzeln kann sie sich bei dem Thema jedoch nicht verkneifen. "Das ist schon eine putzige Angelegenheit", gesteht die Bauamtsleiterin.

DIE GLOSSE

Meilenstein der Verkehrsplanung

VON UWE POLLMEIER Was lange währt, wird endlich gut – ein Sprichwort, das in Verkehrsingenieurkreisen offenbar wenig Anklang findet. Als sich die Straßenexperten des Landes vor zwei Jahren trafen, fiel es ihnen wie Schuppen von den Augen. Spielstraße und Parkraumbewirtschaftung gleichzeitig, das geht nun wirklich nicht. Zu lange hat man die Problematik bereits verkannt, beide Augen zugedrückt oder einfach wichtigere Dinge zu beraten gehabt, aber nun war die Zeit reif, eine der letzten großen Lücken in der Straßenverkehrsordnung zu schließen. Manch ein Versmolder mag sich nun darüber mokieren, dass wegen drei lächerlicher Stundenkilometer mehrere Schilder ausgetauscht werden müssen. In dem Fall hat er jedoch nicht weit genug gedacht. Immerhin könnte man mit nur 3 km/h auf einem 20-Stunden-Flug nach Australien fast fünf Minuten einsparen. Und durch die Neuregelung dürfte es sogar möglich sein, bei der Autofahrt vom Rathaus zum örtlichen Drogeriemarkt einige Hundertstelsekunden einzusparen. Mit solch einem Zeitvolumen wurden schon 100-Meter-Läufe und alpine Skirennen entschieden. Und außerdem können 3 km/h nicht nur Leben, sondern auch ein frei von innovativen Ideen verlaufendes Straßeningenieurstreffen retten.

Viewing all articles
Browse latest Browse all 3262