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Gut, wenn man Freunde hat

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VON KERSTIN SPIEKER
Werther. Pelusa-Tag an der GrundschuleWerther. Im Dezember fand er nun zum mehr als 20. Mal an der Mühlenstraße statt. Seit weit über 20 Jahren wird an diesem besonderen Tag von Eltern, Lehrern und Kindern gebastelt, gebacken, gewerkelt und informiert. Informiert über ein Projekt am Randes eines Elendsviertels in Santiago de Chile. Dorthin geht der Erlös der Pelusa-Tage und der inzwischen immer im jährlichen Wechsel stattfindenden Sponsorenläufe. Aus einem Haus, in dem eine katholische Ordensschwester und der Bielefelder Sozialarbeiter Franz Klement mit wenigen Mitteln versuchten, Kindern ein bisschen menschliche Wärme zu geben, entwickelte sich im Laufe von 32 Jahren eine Einrichtung, die ein Altenzentrum, Kindergarten, Krippe und Mädchenwohnheim umfasst. Ohne Spendengelder aus Bielefeld und Werther wäre das so nicht möglich gewesen.
"Chile ist eigentlich ein reiches Land", berichtet Gerhard Godejohann über eine Nation, die die größten Kupfervorkommen der Erde besitzt. Der Bielefelder wirkt seit mehr als 20 Jahren als eine Art Verbindungsmann zwischen dem Pelusa-Projekt in Chile und der Partnergemeinde in Bielefeld, heute die Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde. Die Schere zwischen Arm und Reich klaffe in Chile auseinander, wie man es auch aus anderen südamerikanischen Ländern wie etwa Argentinien kenne. Godejohann hat sich von den sozialen Verhältnissen in Santiago de Chile auf mehreren Reisen ein Bild gemacht. Ihm fällt für die Zustände in den Armenvierteln der chilenischen Metropole vor allem ein Wort ein: "Schlimm, einfach schlimm sieht es dort aus." Angelika Bierhoff kann ihm nur zustimmen. Die pensionierte Grundschullehrerin war gerade im März vergangenen Jahres in Santiago und besuchte dort das Pelusa-Projekt, das in Chile ganz offiziell Fundación de Beneficencia de los Sagrados Corazones heißt. Nicht von ungefähr wählten Angelika Bierhoff und ihr Mann Hans-Jürgen sich ihr Reiseziel. Die beiden werden nach und nach das Amt des Pelusa-Botschafters Gerhard Godejohann übernehmen und den Kontakt der Bielefelder und Wertheraner Unterstützer zum Projekt in Chile pflegen. "Als wir in Santiago ankamen, wurden wir unglaublich freundlich aufgenommen und wir haben auch gleich Freunde der Godejohanns quasi übernehmen können", erzählt Angelika Bierhoff von ihrer jüngsten Reise. Regelmäßig bekommt sie seither Post aus Chile und berichtet dorthin über die Aktivitäten in Deutschland. "Vom jüngsten Pelusa-Tag in Werther habe ich gleich einige Fotos nach Santiago gemailt." Der Kontakt nach Bielefeld ist es, dem das Zentrum für die Ärmsten der Armen in einem der reichsten Länder Südamerikas überhaupt seine Entwicklungschancen verdankt. Mit Geldern aus Ostwestfalen konnten Gebäude errichtet werden, in denen heute wertvolle soziale Arbeit geleistet werden kann. So gibt es hier eine Altentagesstätte, in der einsame Senioren aus dem Armenviertel, deren Renten oft nicht einmal für tägliches Essen reicht, den Tag miteinander verbringen und über den Tag Verpflegung erhalten. "Für diese Arbeit gibt es keinerlei staatliche Unterstützung", macht Gerhard Godejohann die Situation deutlich. Die gibt es allerdings inzwischen für die Arbeit mit Kindern, die in der Fundación geleistet wird. In der Krippe werden die Kleinsten betreut, deren Mütter in den Armenvierteln nicht selten allein erziehend sind. Die Frauen sollen so die Möglichkeit haben, einer geregelten Arbeit nachzugehen, während sie ihre Kinder wohl behütet wissen. "Der Kindergarten muss sich mit seinem pädagogischen Profil nicht hinter deutschen Standards verstecken", urteilt Angelika Bierhoff aus ihrer Erfahrung als ehemalige Grundschullehrerin. Das hat inzwischen auch der chilenische Staat erkannt und unterstützt die Arbeit dort mit finanziellen Zuschüssen. "Die Gelder, die es gibt, reichen aber oft nicht für die notwendige Arbeit aus", weiß Gerhard Godejohann. So kommen im Mädchenwohnheim, das inzwischen an den Rand der Metropole ausgelagert werden konnte, fast nur Kinder an, die dringend psychologische Betreuung brauchen. Für solche Maßnahmen reichen aber die monatlichen Unterhaltskosten, die der Staat für die Mädchen entrichtet, nicht aus. "Ohne Spendengelder geht da gar nichts", so der Bielefelder. Zwar gebe es auch aus dem Inland Spenden von Firmen und Privatpersonen. "Eine wirklich verlässliche Einnahmesituation gibt es für das Pelusa-Projekt aber nicht", wissen die Unterstützer aus Ostwestfalen. Umso wichtiger seien die Finanzspritzen aus Bielefeld und Werther. "Und da ist uns wichtig, dass wirklich jeder Cent ohne Abzug für Verwaltungs- oder Reisekosten komplett nach Chile geht", so Godejohann. Und Angelika Bierhoff wünscht sich zudem, die Freundschaft zwischen Unterstützern auf der einen Seite und den Kindern in Chile auf der anderen noch mit viel mehr Leben zu füllen. "Vielleicht lässt sich auch ein E-Mail-Kontakt zwischen den Grundschülern in Werther und den Kindern im Projekt aufbauen. Es ist doch eigentlich schade, wenn man von Freunden nur einmal im Jahr etwas hört."

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