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"Wir sind in dieser Frage gefordert"

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Von Philipp Kreutzer

Altkreis Halle. Seit dem 1. Januar müssen Arbeitnehmer in Deutschland mit wenigstens 8,50 Euro brutto pro Stunde vergütet werden. So sieht es das Mindestlohngesetz (MiLoG)
vor. Dieses hat in vielen heimischen Sportvereinen Wirbel ausgelöst. Und Ängste, weil Verstöße gegen das neue Gesetz teuer werden können.

Doch was das MiLoG bei der Bezahlung beispielsweise von Übungsleitern und Vertragsspielern wirklich für die Vereine bedeutet, können deren Verantwortliche noch gar nicht wissen. Zumindest nicht in Gänze. Denn bislang sind gar nicht alle Fragen vollständig geregelt. So sagt etwa Dieter Ostertag, Justiziar des Fußball- und Leichtathletikverbandes Westfalen (FLVW): "Es gibt noch Grauzonen." Bei anderen Aspekten besteht dagegen Klarheit. Ein Überblick.

Für wen das MiLoG gilt

Das MiLoG wird auch im Sportverein auf Teilzeit- und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse (Minijobs) angewendet. Das heißt: Im Rahmen eines 450-Euro-Arbeitsvertrages sind mit dem Mindestlohn rund 53 Arbeitsstunden im Monat möglich. Minijobber gebe es in fast jedem Verein, meint Stephan Potthoff-Wenner. "Allein mit Ehrenamtlichen können Sie die vielfältigen Aufgaben nicht bewältigen", sagt der Vorsitzende des SC Peckeloh. Mit den SCP-Verantwortlichen etwa für Personalabrechnung und Kasse sowie einem Steuerberater geht Potthoff-Wenner das Thema in diesen Tagen an, denn: "Die erste Abrechnung steht jetzt bevor, uns muss bewusst sein, dass wir in dieser Frage gefordert sind."

Für wen es nicht gilt

Das MiLoG gilt nicht für die vielen ehrenamtlich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auch nicht für diejenigen im freiwilligen sozialen Jahr und im Bundesfreiwilligendienst. Ehrenamtlich tätig ist laut Gesetz, wer "nicht von der Erwartung einer adäquaten finanziellen Gegenleistung, sondern von dem Willen geprägt ist, sich für das Gemeinwohl einzusetzen". Diesen Menschen können Clubs Aufwandsentschädigungen zahlen, beispielsweise im Rahmen des Übungsleiterfreibetrages von 2400 Euro im Jahr und/oder des Ehrenamtsfreibetrages von 720 Euro im Jahr.

Weil das so ist, "trifft uns das neue Gesetz nicht sonderlich", sagt Wolfgang Rehschuh. Er ist Erster Vorsitzender des SC

Halle und damit eines Vereins, dessen Angebot nach seiner Aussage fast vollständig auf ehrenamtlichem Engagement beruhe. Angestellte, betont Rehschuh, würden beim SC aber "selbstverständlich den Mindestlohn erhalten".

Für wen es vielleicht gilt

Im Gesetz heißt es, dass auch Amateur- und Vertragssportler nicht unter den Arbeitnehmer-Begriff fallen, sofern für sie bei ihrer sportlichen Betätigung nicht die finanzielle Gegenleistung im Vordergrund stehe. Doch der Vertragsspieler, der monatlich beispielsweise 350 Euro erhält und mit einem Minijob angemeldet ist, wird in der Regel mit seinem Engagement zumindest auch wirtschaftliche Motive verbinden.

Vertragsspieler gibt es auch im Altkreis, etwa bei den Landesliga-Fußballern des SC Peckeloh. Sie gelten genauso wie die Oberliga-Handballer der SF Loxten, die allesamt als Minijobber angestellt sind, als Arbeitnehmer des Vereins und unterliegen damit dem MiLoG. Für eine Antwort auf die Frage, ob das gezahlte Gehalt den gesetzlichen Anforderungen gerecht wird, kommt es auf die für das Gehalt angeordnete Arbeitszeit an. Deshalb werden die Loxtener Handballer in den nächsten Tagen erstmals sämtliche Trainings- und Spielzeiten auf Stundenzetteln nachhalten. Vor allem bei der Arbeitszeit sieht FLVW-Justiziar Dieter Ostertag die eingangs erwähnte Grauzone. "Es gibt unterschiedliche Auffassungen darüber, was zur Arbeitszeit gehört", verdeutlicht er und denkt dabei beispielsweise an ärztliche sowie physiotherapeutische Behandlungen, das Duschen nach Training und Spiel oder An- und Abfahrten.

Kein Amateurteam im Altkreis nimmt so weite Auswärtsreisen auf sich wie Frauenhandball-Drittligist HSG Union ’92 Halle, der seinen Trainer als Minijobber beschäftigt. Gelten Fahrten etwa nach Leipzig oder Bayreuth und zurück als Arbeitszeit? Das ist bei den 53 zur Verfügung stehenden Stunden pro Monat auf 450-Euro-Basis eine gewichtige Frage für Verein und Coach.

Für Vertragsspieler im Fußball beträgt die nach sportrechtlichen Regeln vorgegebene Mindestvergütung 250 Euro im Monat. Dies entspricht 29 Stunden, und auch die können bei drei Trainings und einem Spiel pro Woche - je nach Interpretation - schnell überschritten sein.

Wie es Klarheit geben könnte

Im Lauf des Jahres werde man klarersehen, glaubt Ostertag. Der FLVW-Justiziar erwartet demnächst Gerichtsentscheide mit Präzedenzcharakter. Etwa, weil ein Spieler seinen (Ex-)Verein wegen womöglich zu niedrig angesetzten Lohns verklagt. Bis dahin, glaubt der Funktionär, gelte eine Art Karenzzeit, in der bei Verstößen "wohl nicht das gesamte Instrumentarium an Sanktionen ausgepackt würde". Grundsätzlich aber, das stellt Ostertag klar, "ist der Mindestlohn für Sportvereine ein wichtiges Thema, mit dem sie sich beschäftigen sollten".


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