Von Anja Hanneforth
Werther.
Es war regnerisch, windig und kalt - doch davon ließen sich die Vertreter von Vereinen und Verbänden, Verwaltung und Politik nicht schrecken. Rund 60 Männer und Frauen beteiligten sich gestern am traditionellen Schnatgang, der sie, Zwischenstopp mit Glühwein inklusive, zum Restaurant Bergfrieden führte. Nicht ohne einen Abstecher zum Hof Overbeck zu unternehmen, wo Eigentümer-Vertreter Thomas Echterhoff und act’o-soft-Geschäftsführer Christian Malachowski ihre Pläne zur Umgestaltung und neuen Nutzung der Hoffläche darlegten.Ist der Schnatgang in den vielen Jahren seines Bestehens jemals abgesagt worden? - Eine Frage, die gestern nicht unberechtigt war, hatte doch der Sturm der vergangenen Tage für mitunter gefährliche Verhältnisse gesorgt.
"Ja", erinnerten sich Bauamtsleiter Jens Kreiensiek und der ehemalige Hauptamtsleiter Willi Rose, in den 1990er Jahren hätte man die Teilnehmer einmal nach einer Viertelstunde nach Haus geschickt. Eisregen hätte damals die Straßen zu gefährlichen Rutschpisten gemacht, "da ging nichts mehr", so Kreiensiek. Ansonsten wären die Schnatgänge zwar mehrfach verkürzt, wegen zu viel Schnee oder Regen aber noch nie abgesagt worden.
Auch gestern machten sich die 60 Vereins- und Verbandsvertreter warm eingepackt, mit dicken Mützen, gutem Schuhwerk und bester Laune auf den Weg. Wobei der Spaziergang durch den Wald, wie er eigentlich vorgesehen war, an der Arminiusquelle vorbei und über den »Wanderweg für Genießer«, nicht stattfinden konnte. "Zu gefährlich", kommentierte Ursula Härtel von der Stadtverwaltung, die den Schnatgang in diesem Jahr organisiert hatte. Abgesehen davon, dass wohl niemand Spaß daran hätte, knöcheltief durch den Schlamm zu waten, mutmaßte Bürgermeisterin Marion Weike.
Stattdessen ging es quasi auf direktem Weg vom Rathaus zum Bergfrieden, wo am Mittag ein Imbiss auf die Teilnehmer wartete. Mit »nur« zwei Abstechern zum Busbahnhof und dem Hof Overbeck - von denen vor allem Letzterer aufgrund der weitreichenden Bedeutung für die zukünftige Entwicklung Werthers für alle Beteiligten von größtem Interesse war.
Im Gegensatz dazu ist die Situation am Busbahnhof geradezu einfach zu lösen - hier stehen Politik und Verwaltung »lediglich« vor der Frage, was sie mit dem Gebäude, in dem sich bis vor Kurzem ein Kiosk und die Beratungsstelle der Elektrizitätsversorgung befanden, machen wollen: erhalten und neu vermieten, umbauen, nur noch als Unterstand nutzen oder abreißen. Eine Entscheidung sei noch nicht gefallen, betonte Rainer Demoliner von der Verwaltung.
Auch beim Hof Overbeck steht die letzte Entscheidung noch aus - die nämlich, ob das Gebäude, obwohl unter Denkmalschutz, in der gewünschten Form von der Firma act’o-soft um- und ausgebaut werden darf (das HK berichtete).
Geschäftsführer Christian Malachowski erläuterte den Anwesenden, wie es gehen könnte: die beiden Giebel des Hofes erhalten und dazwischen einen Neubau, entsprechend den Anforderungen seines Unternehmens, setzen. Die sichtbaren Seiten zur Bielefelder Straße hin in der Kubatur des bestehenden Gebäudes, lediglich zur Südwestseite, also zum Wald hin, einen rechteckigen Würfel anfügen, um auf diese Weise auch die Dachflächen nutzbar zu machen. Im dunkleren Erdgeschoss wären dann Empfang, IT-Support, Server- und Besprechungsräume untergebracht, im Obergeschoss der Großteil der Büros.
Die neuen Räume würden nicht zuletzt weitere Arbeitsplätze bedeuten: die derzeitige Zahl von gut 40 könne und solle auf 55 wachsen - Worte, bei denen vor allem die Vertreter der Parteien aufhorchten.
Die Frage nach der Investitionssumme konnte Malachowski noch nicht beantworten: "Wir sind gerade dabei, in die Detailplanungen einzusteigen und einen genauen Kostenrahmen aufzustellen", sagte er - und dass er jetzt das erste Mal überhaupt selbst in dem Gebäude gewesen sei.
Denn unter Haftungsausschluss durften die Teilnehmer des Schnatgangs gestern einen Blick ins Innere werfen. Was sie sahen, war trotz Dunkelheit viel marode Bausubstanz, eingefallene Holzdecken, die an vielen Stellen den Blick bis unters Dach freigaben, und ein Fachwerk, das keines war. "Ist nur aufgemalt", sagte Thomas Echterhoff, Vertreter des Eigentümers Wilhelm Overbeck.
Aus seiner Sicht mache es keinen Sinn, den Hof in Gänze zu erhalten. So sei gutachterlich belegt, dass "mindestens 70 Prozent des Gebäudes nicht mehr im Original erhalten oder aber unrettbar zerstört sind". Über die Jahre seien Wände versetzt, Decken erneuert, neue Wände eingezogen und die Symmetrie des Gebäudes nachhaltig verändert worden; die Holzbalken seien in größerem Umfang von Pilzen und Insekten befallen, Vandalen hätten schließlich ihr Übriges getan. "Der Hof ist in einem desolaten Zustand. Ein wirtschaftlicher Totalschaden", so Echterhoff. Verschiedene Kaufinteressenten, mit denen er über die vergangenen Jahre Kontakt hatte, hätten immer nur eines festgestellt: viel zu teuer und absolut unwirtschaftlich, das Haus einer neuen Nutzung zuzuführen. Für ihn ist daher das Vorhaben der Firma act’o-soft nicht nur irgendeine, sondern die einzige Lösung.