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Mann der scharfen Messer

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VON FLORIAN GONTEK

Halle-Hörste. Mit scharfen Klingen wollte Hans-Peter Oberluggauer (53)
eigentlich nie etwas zu tun haben. Allenfalls mit der einer Sense vielleicht, besuchte er doch in jungen Jahren eine Landwirtschaftsschule. Heute schärft er für die größten Fleischproduzenten der Region und fertigt für Privatleute, Handwerksbetriebe und den Gastro-Bereich deutschlandweit und im Ausland. Der gebürtige Österreicher ist ein Mann der Messer geworden. Ein Blick hinter die Kulissen.

Der Tag in der

Versmolder Straße 26 beginnt früh. Während die meisten seiner elf Mitarbeiter in morgendlicher Dunkelheit schon in den Produktionshallen stehen, um Kutter- und Rundmesser oder auch Wolfssätze im Akkord nachzuschleifen, hat Hans-Peter Oberluggauer sich heute Zeit genommen, um zu erzählen. Und das tut er in aller Ruhe.

Geboren ist er im Lesachtal, einer 1400-Seelengemeinde Kärntens. "Wunderschön ist es dort", zeigt er auf ein bilderbuchmäßiges Alpenpanorama an seiner Bürowand. Gelegentlich genießt er gemeinsam mit seiner Frau Elke (57) die Ruhe der Berge, in einer Blockhütte, die sich das Ehepaar vor einigen Jahren gekauft hat. Beide entspannen nicht nur gemeinsam, sie arbeiten auch im Team. Elke Herkströter kümmert sich um die anfallenden Büroarbeiten im Betrieb und ist der Grund, warum es Oberluggauer überhaupt nach Ostwestfalen verschlagen hat, nachdem sie sich am 1. April 1979 im Lesachtal kennenlernten und schließlich Anfang der 90er-Jahre heirateten. Gemeinsam haben sie eine Tochter, Ronja (22).

1980 kam Hans-Peter Oberluggauer ins kleine Hörste. In den ersten Jahren arbeitete er in der Tischlerei seines Schwiegervaters, die sich auf Küchenbau spezialisiert hatte. Nachdem der Betrieb 1985 aus Altersgründen geschlossen wurde, benötigte die nachfolgende Tischlerei die Lagerhalle nicht mehr, und der Messerspezialist Feuring übernahm die Räume. Schnell schliff der Betrieb seine Klingen selbst und die Hallenfläche wurde zu klein. Neun Jahre arbeitete Oberluggauer führend im Unternehmen mit. Als sein Vorgesetzter aus Altersgründen ausschied, kaufte er 1996 den Betrieb. Mitarbeiter und Maschinen wurden übernommen - "die Firma aber weiter ausgebaut", erklärt Oberluggauer. Seitdem ist man gewachsen.

Wurde ein Messer früher noch händisch geschliffen, wird es heute allenfalls noch von Hand nachgearbeitet, oder - für das perfekte Schärfeergebnis - entgratet. Das Gros der Arbeit übernehmen dabei heute drei CNC-gesteuerte Maschinen. "Die Genauigkeit ist natürlich eine andere, aber die Mengenverhältnisse haben sich nicht wesentlich verändert", erklärt der Firmenchef.

Gut 980 Teile schleifen seine Mitarbeiter pro Tag nach. Ob Sägeblätter, Kutter-, Kreuz- oder Ringmesser. Die Klingen, die in der Regel aus feinstem, weichem Messerstahl mit geringem Chromanteil - etwa elf Prozent - gefertigt werden, finden Abnehmer zwischen Flensburg und Frankfurt und über die Landesgrenzen hinaus bis nach Österreich. "Wir schleifen überwiegend für die Fleischindustrie, aber auch für Gaststätten und Privatleute. Dort zum Beispiel Brot- und Aufschnittmesser, aber auch das klassische Sägeblatt", erklärt Oberluggauer, dass sein Betrieb nicht nur für die Fleischgrößen der Region, sondern auch für Handwerker und Zimmerleute interessant ist.

Ob zur Portionierung von Wurst oder für ganze Blöcke. Die klassischen Eisklumpen, wie man als Laie vermuten könnte, müssen die Messer jedoch heute nicht mehr bewältigen. "Mittlerweile läuft die Kühlung überwiegend mit Stickstoff oder mit bereits zerkleinertem Eis", erklärt Oberluggauer. Dennoch, das sagt er auch, würde ein Messer das Eis nie komplett zerschlagen, kommt es doch darauf an, die spezielle Körnung und Struktur der Wurst sichtbar zu machen. Die Halbwertzeit der Klingen ist im Hochbetrieb dabei überschaubar. "Messer für den Fleischkutter müssen etwa alle vier Stunden ausgetauscht werden, aber dann haben sie auch bereits zwölf Tonnen Wurst produziert", lächelt der Schleifermeister. Seine Großkunden arbeiten mit Roh- und Brühwurst-Kuttern in Größendimensionen zwischen 500 und 750 Litern.

"Ich bin da reingerutscht und mittlerweile auch reingewachsen", lacht der Österreicher. Und auch darüber, dass er den Weg nach der dreijährigen Landwirtschaftsschule und dem Tischlerei-Engagement nicht weitergegangen ist, kann er schmunzeln. "Nein, zum Holz möchte ich heute nicht mehr zurück." Er ist ein Mann der Messer geworden.


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