Von Jonas Damme
Steinhagen/Quelle. Heute findet die Weihnachtsgans bei vielen Familien im Altkreis wie jedes Jahr ihren Weg auf die Festtafel, denn der Gänsebraten hat in Deutschland eine noch weit längere Tradition als der Weihnachtsbaum. Viele der hiesigen Braten stammen vom Biohof Bobbert in Quelle. Sieben Monate lang führte das Federvieh dort ein glückliches Leben, das nun seiner Bestimmung entgegengeht. Und daran ist nichts Falsches, findet Oda Bobbert.
"Entscheidend ist für uns, dass sie ein schönes Leben hatten", sagt Oda Bobbert, die mit ihrem Ehemann Rüdiger den Biohof betreibt. "Alle Gänse sind aufgewachsen, wie von der Natur vorgegeben." Und der Tod sei eben auch Teil der Natur.
Bevor es soweit ist, schnattern am letzten Adventswochenende noch gut hundert Federviecher über die matschige, regennasse Wiese direkt am Hof. Als die Bäuerin kommt, um sich eine der Gänse für das Foto zu schnappen, scheinen sie schon zu ahnen, was auch ihnen blüht. Wo Oda Bobbert hinläuft, teilt sich das Gänsemeer und ohne Unterstützung von Hund und Mensch ist es nicht möglich, auch nur eine davon in die Finger zu bekommen.
Als schließlich ein Vogel gefangen ist, scheint er sein Schicksal stoisch anzunehmen. Doch er hat Glück, nur ein Klick und nach wenigen Sekunden ist er wieder bei seinen Artgenossen - nur zwei Tage später wird es allerdings wirklich ernst.
350 Gänse verkauft der Hof Bobbert. Ein erster Teil wurde bereits am Martinstag, 11. November, abgesetzt. Der Rest wurde in den vergangenen Tagen geschlachtet und gerupft. Bereits seit dem Jahr 2000 hat der Hofladen Weihnachtsgänse im Angebot.
Zu Beginn sei es noch etwas eigenartig gewesen, erzählt Bobbert. Die Eintagsküken, die im Mai gekauft werden, seien in den ersten Wochen natürlich noch sehr niedlich. "Anfangs muss immer jemand auf der Wiese sein, um die Küken vor Krähen und Dohlen zu beschützen", sagt Bobbert. Oft hätte sie dafür auch ihre Kinder eingespannt. Gerade die fänden die Gänse erst mal "total süß".
Trotzdem hätten all ihre fünf Kinder verstanden, dass die Hoftiere nicht sehr lange bei ihnen bleiben würden. "Die Kinder sind mit dem Schlachten groß geworden", sagt Bobbert. Auch in der Schlachterei seien sie bereits dabei gewesen. Vorausgesetzt so etwas passiere auf natürliche Art und Weise, gebe es keinen Grund, es Kindern vorzuenthalten.
Das Interesse an regionalen, nachhaltigen Produkten, wie ihren Gänsebraten, habe zu Weihnachten Hochsaison, erklärt Bobbert. "Gerade jetzt, denken die Leute, soll es etwas Besonderes sein."
Nach ihrem Verständnis endet die Nachhaltigkeit aber nicht an der Kasse. "Man muss rund um ökologisch denken. Von so einem Gänsebraten kann man zum Beispiel drei Mal essen: Heiligabend die Sahnestücke, am nächsten Tag Gänseklein und am dritten kann man ihn noch mal auskochen. Dann hat man die Gans gut genutzt und sie war ihr Geld wert. Und dann ist es auch in Ordnung, wenn wir sie schlachten."
Interessanterweise ist die Gans ein reines Weihnachtsessen: "Danach verkaufen wir sie nicht mehr, denn dann will sie keiner mehr essen." Das ganze Jahr über gibt es allerdings allerlei andere Bioprodukte im Hofladen. Und der läuft. "Die Nachfrage nach Bio steigt", sagt Bobbert. "Nur nach Biofleisch nicht unbedingt." Das könne daran liegen, dass viele Biokäufer Vegetarier sind.
Bobberts Stammkunden sind das unaufhörliche Geschnatter nahe des Hofladens schon gewohnt. Umso schwerer drückt die Stille, die, wie in jedem Jahr, nach Weihnachten eintritt - auch für Oda Bobbert: "An diese Ruhe müssen wir uns erst gewöhnen."