Quantcast
Channel: Haller Kreisblatt
Viewing all articles
Browse latest Browse all 3262

Ein Museum zwischen zwei Buchdeckeln

$
0
0
von kerstin spieker
Werther.
Kaum ein Werk eines Künstlers, dem - zumindest bisher - nicht einmal ein eigenes Museum gewidmet ist, dürfte so gut dokumentiert sein wie das von Peter August Böckstiegel (1889 bis 1951). Je ein Werksverzeichnis der grafischen Drucke, der Plastiken, der Arbeiten auf Papier und der Gemälde liegen vor. Da könnte selbst der geneigte Leser zu dem Schluss kommen, dass es über den westfälischen Expressionisten kaum noch etwas Neues zu berichten gibt. Und doch trat gestern David Riedel, künstlerischer Leiter des Peter-August-Böckstiegel-Hauses in Werther, vor die Presse, um das neue, aktuelle Werksverzeichnis der Gemälde Böckstiegels zu präsentieren - 336 Seiten stark, in festem Einband, optisch und konzeptionell schon beim ersten Durchblättern absolut überzeugend. Anderthalb Jahre lang hat Kunsthistoriker David Riedel an dem Werk gearbeitet, neue Fakten recherchiert, Fährten verfolgt, Puzzleteile zusammengesucht und das umfangreiche, bereits vorhandene Wissen über den Menschen Peter August Böckstiegel und dessen künstlerisches Schaffen mit den vielen neuen Erkenntnissen zusammengefügt. "Zum Glück gibt es keine 180-Grad-Drehung im Bild von Böckstiegel, aber es ist viel genauer geworden und hat noch einmal an Tiefe und Schärfe gewonnen", lautet Riedels Fazit. Allein knapp 50 Werke, die bisher gar nicht bekannt waren, finden in dem neuen Verzeichnis Erwähnung. Zudem ergab die Recherche in Archiven zu Sammlungs- und Ausstellungskatalogen eine Vielzahl bisher unbekannter Fakten. Zahlreiche Hinweise, denen David Riedel außerdem in detektivischer Kleinarbeit folgte, fanden sich darüber hinaus im Nachlass des Künstlers. 2 600 Seiten aus mehr als 1500 Briefen sind im Kreisarchiv Gütersloh bisher transkribiert worden, so dass sie bei der Recherche als verwertbare Quellen zur Verfügung standen. Ihm habe eine völlig andere Informationsgrundlage zur Verfügung gestanden als den Verfasserinnen der ersten Ausgabe des Werksverzeichnisses der Gemälde. Es wurde zusammengetragen anlässlich einer 1997 in der Kunsthalle Bielefeld stattfindenden Ausstellung mit Werken Peter August Böckstiegels - auf der Wissensgrundlage, die damals verfügbar war. So korrigiert das neue Werksverzeichnis kleinere Fehler bei Maßen, Datierungen oder biografischen Details. "Das war mir möglich, weil die Menge der Informationen einfach viel größer geworden ist, und das Internet war bei der Recherche ein äußerst hilfreiches Medium", erläuterte David Riedel. Vielfach musste er nicht selber in die Tiefen der Archive hinabsteigen, sondern nahm per E-Mail Kontakt zu Archivaren auf und erhielt gewünschte Daten in Windeseile. Und nicht nur der Kunsthistoriker profitierte für sein eigenes Werk von dieser Zusammenarbeit. Teilweise erhielten die Museen und Archive, in denen Riedel forschte, durch die Informationen aus Werther auch selber neue Einblicke in die eigene Geschichte. Für die Gestaltung des neuen Werksverzeichnisses zeichnet Grafikdesignerin Kirsten Beckmann aus Bielefeld verantwortlich. "Wir wollten die vielen nötigen Informationen in dem Buch unterbringen und es gleichzeitig so gestalten, dass es nicht nur Fachleute anspricht, sondern auch ganz normale Kulturinteressierte", formulierte Beckmann das Ziel. Gemeinsam erarbeiteten David Riedel und die Grafikdesignerin ein Konzept, das einfach nur begeistert. Jedes der zehn Kapitel beginnt biografisch, mit einer seitenhohen Fotografie. Es folgt ein Text, verfasst von Riedel auf der Grundlage der jüngsten Erkenntnisse. Dann kommen die mit den aktuellsten technischen Möglichkeiten bearbeiteten Fotos der Böckstiegel-Gemälde. Teilweise gewinnen sogar ältere Aufnahmen dadurch eine Komplexität, die das Betrachten des Buches zu einem wahren Vergnügen macht. Möglich wurde die Erstellung des neuen Werksverzeichnisses durch den Böckstiegel- Freundeskreis. Der Verein kümmert sich um das künstlerische Erbe des Wertheraners. 56 000 Euro hat sich der Freundeskreis die 3 000 Exemplare umfassende Neuauflage kosten lassen. "Und das auch mit Blick auf den bevorstehenden Museumsbau", erklärten Geschäftsführer Volker Strothmann und Schatzmeister Wolfgang Meyer-Stork. Das erste Werksverzeichnis von 1997 sei weitestgehend vergriffen. Im Kleinen ist David Riedel die Errichtung eines Museums für Peter August Böckstiegel mit dem neuen Werksverzeichnis bereits gelungen - zwischen zwei Buchdeckeln. "Und das Schönste an dem Buch ist, dass es jede Menge Anknüpfungspunkte für weitere Puzzleteile bietet", kann sich der Autor in Sachen Böckstiegel noch manche Überraschung vorstellen. ¦Wer das Werksverzeichnis erwerben möchte, bekommt das Werk für 39,90 Euro im Buchhandel. Zum Sonderpreis von 32 Euro ist es über das Böckstiegel-Haus und den Freundeskreis zu beziehen. Hinzu kämen fünf Euro Versandkosten. Riedel, David: Peter August Böckstiegel: Die Gemälde 1910 - 1951, Hirmer Verlag, München, 2014, ISBN 978-3-7774-2282-4

Viewing all articles
Browse latest Browse all 3262