Von Reiner Schmidt
Steinhagen.
Mit dem musikalischen Theater »So oder so - Hildegard Knef« sind Gilla Cremer und der Klavierbegleiter Gerd Bellmann seit einiger Zeit unterwegs, nachdem die Produktion auch im Repertoire des renommierten Hamburger Thalia-Theaters stand. Am Freitag machten sie Station in der gut besetzten Aula für Steinhagens Kulturwerk. Es war ein guter Griff der Organisatoren, wie man vorausschicken darf.Worum geht es? Die Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin Gilla Cremer hat sich das Leben von Hildegard Knef vorgenommen und einen Abend entlang deren Biografie zusammengestellt. Material dazu gibt es reichlich. Mit »Der geschenkte Gaul« schrieb die Knef eine Biografie, die sich allein in Deutschland millionenfach verkaufte.
Über mangelnde Aufmerksamkeit konnte sich die Knef nie beschweren. Da war die Nacktszene im Spielfilm »Die Sünderin«, ein Skandal für die damalige Zeit, da waren das Liebesverhältnis mit einem verheirateten Mann, die Erfolge am Broadway, die Geburt einer Tochter im fortgeschrittenen Alter, die Öffentlichmachung ihrer Krebserkrankung, ihre Schönheitsoperationen und zum Ende der wirtschaftliche Ruin.
In den Medien landete der Name Knef häufig in den Klatschspalten, seltener im Feuilleton bedeutender Zeitungen. Dabei war die Knef eine der wenigen deutschen Schauspielerinnen, die im Ausland Erfolg hatten. Prominente zeigten sich gerne mit ihr, auch gab es in der Frühzeit ihrer Karriere einige Filmpreise, später ein Bundesverdienstkreuz.
Ein älteres Publikum kennt die Knef noch gut. Wie stellt Gilla Cremer ihr Leben dar? Die Bühne der Aula ist sparsam möbliert mit einigen Versatzstücken und einer kleinen Showtreppe. Fast im Dunkeln sitzt der Pianist Gerd Bellmann. Die junge Knef sitzt in einem schlichten Kleid bei einer typischen Hausarbeit: Sie schält Äpfel, die sie an das Publikum weiterreicht. Gilla Cremer erzählt aus der Biografie und beschreibt die schwierige Kindheit, die Entbehrungen in Kriegs- und Nachkriegszeit. Dann die Entdeckung der talen-tierten jungen Frau, das Vorsprechen, die ersten Engagements. Die bekannten Chansons der Knef entstehen erst später, so werden sie im ersten Teil des Abends auch nur sparsam eingesetzt. Dabei ist der Pianist Gerd Bellmann ein gleichberechtigter Partner. Auch erhält er Gelegenheit, über das Erkennungslied »Für mich soll’s rote Rosen regnen« zu improvisieren.
In dieser Zeit verwandelt sich Cremer optisch in eine Diva und spielt nun ihr ganzes Können aus. Sie singt live, steppt und bewegt sich gekonnt, wird Hildegard Knef zunehmend ähnlich, auch durch die typische Sonnenbrille. In einem Medley reißt sie die bekanntesten Chansons an. Die Knef sah sich nicht als Sängerin. Daran gemessen konnte sich Gilla Cremer gut behaupten. Pianist Bellmann wurde in einigen Szenen zum Gesangspartner und entledigte sich gekonnt auch dieser Herausforderung.
Dem Erfolg der Karriere erfolgte bei der Knef - auch durch ihre Krankheit bedingt - der Abstieg. Auch diese traurige Lebensphase stellt Gilla Cremer beeindruckend dar. Sie ist auf der Bühne plötzlich die gebrochene Frau, die ihre Haare mit künstlichen Teilen auffüllt und über ihr Alter sinniert. Im Zuschauerraum konnte man die Betroffenheit förmlich spüren. Am 1. Februar 2002 starb Hildegard Knef im Alter von 76 Jahren in Berlin. "Ob sie sich darüber gefreut hätte, in der Nähe von Willy Brandt beigesetzt zu sein?", fragt Cramer.
Kräftig entlud sich am Ende der Applaus. Cremer bedankte sich mit einer musikalischen Huldigung beim Publikum. Um 22.45 Uhr war die Vorstellung zu Ende - unglaublich, denn die Zeit verging wie im Fluge. Lässt sich da noch ein Wunsch äußern? Die Wirkung des Abends hätte sich durch einige Projektionen steigern lassen. Ein Foto vom zerbombten Berlin, ein Bild aus einem Film, der Broadway, die Familie. Eventuell zu viel Aufwand für ein Stück auf Tournee. So standen Wort und Musik im Vordergrund und letztlich vermisste man bei diesen Protagonisten nichts.