Versmold (sim).
Es war eine Schulstunde, die noch lange nachklingen wird. Rund 250 CJD-Gymnasiasten erlebten gestern Vormittag in der Petri-Kirche eine musikalische Zeitreise durch die Geschichte des Chorgesangs. Der WDR-Rundfunkchor war zu Gast inVersmold und überraschte alle, die dachten, ein Konzert eines Profichores mit klassischer Musik sei eine trockene Angelegenheit.
Dass dem ganz und gar nicht so ist, erfuhren nicht nur die Schüler des musischen Zweigs, sondern auch rund 150 Versmolder, die trotz der ungewöhnlichen Zeit in die Kirche gekommen waren. Der Andrang überraschte auch Hans-Ulrich Henning, Chorleiter des Christophorus-Jugendkammerchores, der den Auftritt des Rundfunkchores initiiert hatte. "Versmold hat Hunger auf Kultur; der Bürgermeister sollte endlich eine Aula bauen", nutzte er die Gunst der Stunde angesichts der Massen, die sogar an den Seiten des Kirchenraumes und hinter den Bankreihen standen.
Den Auftakt der Konzertstunde machten die Gastgeber des Christophorus-Jugendkammerchores mit dem Terzett »Hebe Deine Augen auf« von Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809- 1847) und dem zeitgenössischen Stück »Cantemus« von Lajos Bardos (1899-1986). Damit begeisterten sie nicht nur ihre Mitschüler, sondern ernteten auch anerkennende Blicke und langanhaltenden Applaus von den 19 Profisängern des WDR, die zunächst im Publikum saßen.
Nach einer Motette von Jacobus Gallus (1550-1591), die die beiden Chöre achtstimmig gemeinsam sangen, gehörte die Bühne dann den Kölnern. Und die wollten nicht nur singen, sondern ihrem Bildungsauftrag gerecht werden. So begann WDR-5-Moderator Johannes Döbbert von den Anfängen des Chorgesanges zu erzählen, den es definitiv schon vor 2500 Jahren bei den alten Griechen gab. "Leider wissen wir nicht, wie das klang, denn die Notenschrift entstand erst im Mittelalter und wurde von Mönchen entwickelt", sagte er. Und da Frauen in dieser Zeit weder Zugang zu Bildung noch zu Klöstern hatten, blieb das Singen den Männern vorbehalten.
So waren es auch nur die Männer des Chores, die unter der Leitung von Robert Blank den gregorianischen Choral »veni, creator, spiritus« vortrugen, der durch seine einstimmige Schlichtheit beeindruckte.
Wie sich die Mehrstimmigkeit im Chorgesang entwickelte, demonstrierte Chorleiter Robert Blank mit einem Publikumsexperiment und ließ die Zuschauer mit einem kleinen Trick dreistimmig singen. "Jetzt haben wir in drei Minuten geschafft, was in der Musikgeschichte 300 Jahre gedauert hat", lobte er.
Weiter ging die Zeitreise mit Stücken aus der Renaissance, dem Barock und der Romantik, bis der Chor schließlich in der sehr experimentellen Gegenwart angekommen war. Mit »Süßer Tod« von Klaus Stahmer (*1941) bot der WDR-Rundfunkchor eine Art Sprechgesang, unterlegt von zischenden Lauten, der die Schüler zum Staunen, aber auch zum Kichern brachte.
Mit dem Schlusspunkt des Konzerts schlugen die Musiker ein wenig wieder den Bogen zum Beginn. Denn wie beim gregorianischen Choral hat auch der Gospelgesang einen christlichen Hintergrund. Nur dass dieser Gospel textlich aus der Reihe fiel. "Ein Lied aus der Heimat des WDR", kündigte Moderator Döbbert an. Und die Sänger intonierten mit viel Humor »Dat Wasser vun Kölle« von den Bläck Fööss und verbreiteten spätestens damit gute Laune und die Einsicht, dass Chorgesang keine trockene Angelegenheit ist.