Bielefeld.
Tischtennisspieler hadern gerne. Mit sich, dem Tisch, dem Ball, dem Schläger - mit der ganzen Welt. Einige tun das laut und ständig, wie etwa Altmeister Wilfried Lieck. Ein wenig dezenter, aber immer noch deutlich vernehmbar, geht Ex-Nationalspieler Richard Prause, der am Sonntag mit dem TTC Seligenstadt bei der SV Brackwede zu Gast war, mit sich ins Gericht. "Manchmal muss das eben raus", sagt der mittlerweile 46-Jährige, der sich bei seinen Selbstgesprächen übrigens duzt: "Ich kenne mich lange genug, ich darf das", sagt Prause.
Anfang der 90er-Jahre war der Hesse nicht nur zu einer Stippvisite, sondern wegen eines festen Engagements häufiger in Ostwestfalen. "Ich habe schöne Erinnerungen an die Region, denn meine drei Spielzeiten bei der Spvg. Steinhagen waren schon ein besonderes Kapitel in meiner sportlichen Karriere", erklärt Prause. An der Seite solcher Ausnahmekönner wie Peter Karlsson, dem viermaligen Mannschaftsweltmeister, dessen schwedischem Landsmann Tommy Danielsson oder Ralf Dooley wurde er 1994 deutscher Vizemeister und stieg in die nationale Spitze auf: 38 mal war er zwischen 1992 und 1997 für die deutsche Nationalmannschaft aktiv. "Diese Zeit war besonders interessant, weil Steinhagens damaliger Manager Rüdiger Lamm dem deutschen Tischtennis einen enormen Schub in Richtung Professionalität gegeben hat", erinnert sich Prause. Als Lamm indes Arminia Bielefeld als lu-krativeres Betätigungsfeld für sich entdeckte, war es im Schnapsdorf mit der Tischtennis-Herrlichkeit schnell vorbei.
Heute betreibt Richard Prause, den alle nach wie vor "Richie" rufen, seinen Sport als "nettes Hobby". Der TTC Seligenstadt, zu dem es von seinem Heimatort Niederroden gerade mal zehn Kilometer Anfahrt sind, habe angefragt, ob er sich noch eine Saison in der 3. Liga vorstellen könne. "Mein etwas fortgeschrittenes Alter und ein reduzierter Trainingsaufwand waren kein Hindernis, deshalb sind wir uns schnell einig geworden", sagt Prause, der bis dahin in der Regionalliga aufgeschlagen hatte, als Cheftrainer der Werner-Schlager-Akademie in Wien zudem aber auch hauptberuflich tagtäglich mit Tischtennis zu tun hat. "Das Trainingszentrum ist vergleichbar mit Nick Bollettieris Tennis-Akademie: Wir schleusen jährlich mehrere hundert Spieler durch", erläutert Vielflieger Prause, der wöchentlich von Frankfurt in die österreichische Hauptstadt pendelt.
An der Platte blitzt das nach wie vor beträchtliche Können der Seligenstädter Nummer eins (Prause: "Wir vier spielen etwa auf demselben Level, aber einer muss es ja machen.") immer wieder auf. So etwa im Duell mit Brackwedes Spitzenspieler Frantisek Placek, in dem der Linkshänder den mehr als 20 Jahre jüngeren Tschechen im fünften Satz an den Rand einer Niederlage bringt. "Aus einem 10:10 darfst du auch mal einen Sieg machen", raunzt Prause, fügt aber sportlich fair sofort hinzu, dass Placeks Erfolg unter dem Strich doch verdient gewesen sei. Vielleicht hätte der Altmeister sogar gewonnen, wenn als Spielgerät nicht der neue Plastik-, sondern der alte Zelluloidball zum Einsatz gekommen wäre. "Wenn du 30 Jahre lang mit dem gleichen Material gespielt hast, fällt dir die Umstellung natürlich noch schwerer, als wenn du erst zehn Jahre dabei bist", meint Prause, der die Dinge aber "so nimmt, wie sie sind".
Mit dem Brackweder Yang Lei, gegen den er glatt mit 0:3 verliert, verbindet ihn eine besondere Beziehung. "Ich habe Richie viel zu verdanken", erzählt der Chinese, der mit Prause drei Jahre in der 2. Bundesliga in Gräfelfing spielte und von ihm zu dessen Zeit als Damen-Bundestrainer immer wieder als Sparringspartner eingeladen wurde. "Das war der Beginn meiner Trainerkarriere", sagt Lei, der Prause deshalb auch freundschaftlich verbunden ist.
Am Ende fährt Richard Prause mit zwei Einzelniederlagen und einem Doppelerfolg nach Hause. Und der Gewissheit, beim 3:2-Sieg über Yang Lei und Christian Reichelt den "Ball des Tages" gespielt zu haben. Die Art und Weise, wie er den Matchball aus beinahe aussichtsloser Situation auf den Tisch zurückbringt, macht ihm so schnell keiner nach.