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Erster Akt des Flächenpokers

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Von Marc Uthmann

Halle-Bokel. Wie tiefgreifend die Autobahn 33 das Leben der Menschen in der Region verändern wird, zeigt sich nicht nur in den mächtigen Bauwerken und Baustellen, die seit Monaten aus dem Boden sprießen. Es zeigte sich gestern Morgen auch im Gemeindehaus Bokel. Dessen Eingangstür fällt einfach nicht ins Schloss, denn die Bezirksregierung hat zu Gesprächen über die für den A 33-Bau notwendige Flurbereinigung geladen.

Stimmengewirr erfüllt das Gemeindehauses, überall hängen Karten, die bestimmten Gemarkungen und Flurstücken zugeordnet sind. Menschen haben bereits im Vorraum Platz genommen und warten, bis sie an der Reihe sind - denn das vierköpfige Team der Bezirksregierung kann sich nun einmal nicht klonen.

Fragen über Fragen prasseln auf Steffen Otto, zuständiger Planungsdezernent für die Flurbereinigung bei der Bezirksregierung Detmold, und seine Mitarbeiter ein. Schließlich hatte die Behörde nicht weniger als rund 500 Flächeneigentümer angeschrieben (das HK berichtete). Sie alle besitzen Land im 2267 Hektar großen Gebiet der Flurbereinigung, sie alle werden in den nächsten Monaten Teil des Flächenpokers sein, der mit dem Bau der A 33 einhergeht.

Die Autobahn verschlingt Land, weshalb betroffene Eigentümer ein Recht auf Ausgleichsflächen haben - und zwar grundsätzlich mit dem gleichen landwirtschaftlichen Nutzwert. Und so kommt das Tauschkarussell in Fahrt: Menschen werden an einer Stelle Land verlieren und dafür an anderer neues erhalten - und sie sollen dabei nach dem Wunsch der Bezirksregierung möglichst zufrieden sein. »Flurbereinigung«, das klingt ja zunächst einmal positiv; und so ambitioniert sind die Ziele von Steffen Otto und seinem Team: "Wir wollen Grundstückszuschnitte verbessern sowie eine klare Abgrenzung von Wald, Gräben und Straßen wiederherstellen, die durch den Bau der Autobahn natürlich zunächst einmal verloren geht", erklärt der Dezernent. "Und wir wollen durch den Flächentausch die Bewirtschaftung verbessern und Beeinträchtigungen möglichst gering halten."

Eine Mammutaufgabe, bis zu deren Bewältigung noch viele Gespräche zu führen sind. Gestern ging es zunächst einmal darum, den Flächeneigentümern im Gebiet der Flurbereinigung zu erläutern, was ihr Land überhaupt wert ist. Von 2011 bis 2013 hatten Bodengutachter im Auftrag der Bezirksregierung die Flächen beurteilt: "Es geht darum, welche nachhaltige Ertragsfähigkeit die Böden haben; sie erhalten einen landwirtschaftlichen Nutzwert", erklärt Steffen Otto. Und diese Beurteilung, die gestern in Bokel offengelegt wurde, liefert natürlich den meisten Diskussionsstoff.

"Mich interessiert, nach welchen Kriterien diese Ermittlung vorgenommen ist", sagt zum Beispiel Kurt Lückebergfeld, der mit seinen Unterlagen ins Bokeler Gemeindehaus gekommen ist. Er besitzt Land in Casum - und ist mit der Wertermittlung nicht in allen Punkten einverstanden: "Ich habe eine Fläche, die als Grünland eingestuft worden ist, obwohl es sich um Ackerfläche handelt." Der Einwand bringt Steffen Otto nicht aus der Ruhe, denn über genau diese Dinge soll im Gemeindehaus diskutiert werden.

"Die Menschen wollen die Ergebnisse erklärt haben", sagt der Dezernent. Und es gebe auch viele Unsicherheiten - etwa mit Blick auf das Thema Landentzug. "Es ist möglich, im Rahmen der Flurbereinigung bis zu zwei Prozent des landwirtschaftlichen Nutzwertes abzuziehen und dafür eine Entschädigung zu zahlen", erklärt Otto. Doch er ist optimistisch, dass dieser Schritt nicht nötig sein wird: "Wir erwerben Flächen außerhalb des Flurbereinigungsgebietes auf dem freien Markt und gehen davon aus, dass wir allen Eigentümern Land mit gleichwertigem Nutzwert anbieten können."

Denn ihr Landbesitz ist es, auf den es den Menschen ankommt. Ein älteres Paar, das draußen wartet, macht keinen Hehl daraus, dass es die Dinge am liebsten so belassen würde, wie sie sind. "Aber am Ende können wir uns gegen die Flurbereinigung ja nicht wehren." Wenn sie so sachlich und konstruktiv abliefe, wie an diesem Morgen, wäre schon viel gewonnen. Doch der Poker hat gerade erst begonnen.


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