Von Marc Uthmann
Halle.
Mit den eigenen Schulden zu zocken, klingt waghalsig und unsolide - und war bei einigen Kommunen in Nordrhein-Westfalen dennoch gängige Praxis. Sie nahmen Millionenkredite in fremden Währungen auf, um über den günstigen Wechselkurs und von niedrigeren Zinsbelastungen zu profitieren (siehe Info). Ein Schuss, der nun nach hinten los ging, dessen Knall im Altkreis allerdings nicht zu vernehmen war. Hier schlummern keine derartigen Risiken in den Büchern: Halles Kämmerer Jochen Strieckmann denkt im Gegenteil immer wieder über Schuldentilgung nach. Doch in den Tenor über die reiche Lindenstadt mag er dennoch nicht einstimmen."Unsere Schulden für Investitionskredite liegen bei unter vier Millionen Euro", sagt Strieckmann. Dabei handelt es sich um über mindestens fünf Jahre festverzinsliche Darlehen, die nach und nach auslaufen. "Liegen die Verlängerungsangebote unter einem Prozent Effektivzins, habe ich laut Haushaltsplan die Option, weiter abzuschließen. Andernfalls lösen wir Darlehen möglichst ab."
Diese Entscheidung treffen zu können, ist eine Luxussituation im Vergleich zu anderen, unter weit höheren Millionenschulden ächzenden Kommunen. "Wir würden in manchen Konstellationen Darlehen sicherlich auch gerne vorzeitig ablösen", sagt Halles Kämmerer. "Aber das wird immer schwieriger, weil sich die Kreditgeber zunehmend ungern darauf einlassen. Sie haben keine alternative Anlagemöglichkeit, die ähnlich gut verzinst wird", sagt Strieckmann. Ein Problem, das die Stadt Halle selbst kennt. "Wir legen Geld mittlerweile zum Teil in Fonds an - weil Festgeld keine attraktive Option mehr ist." Das Gebot der Stunde heißt für Halles Kämmerer deshalb: wirtschaftlich sinnvoll Geld ausgeben. Allein im Haushalt 2013/14 sind Investitionen in Höhe von 15,5 Millionen Euro in den Kauf von Grundstücken, Straßen- und Hochbau veranschlagt, der Trend wird sich im kommenden Jahr voraussichtlich fortsetzen. "Und das finanzieren wir ohne Fremdmittel", sagt Strieckmann nicht ohne Stolz.
Kreditaufnahmen in Fremdwährung oder so trick- wie risikoreiche Finanzgeschäfte hat die Stadt deshalb nicht nötig. "Kommunen, die sich solcher Instrumente bedienen, sind aber auch in diese Richtung beraten worden", stellt Halles Finanzchef klar. "Die Banken in unserer Region agieren in dieser Hinsicht anders."
Hinter diesen kreativen Konstrukten steckten allerdings nicht zuletzt die zunehmenden Sorgen von Kommunen, aufgrund strengerer finanzrechtlicher Vorgaben nur noch schwerer Kredite zu erhalten. "Es gibt mittlerweile Städte, die geben direkt Schuldscheine an den Markt aus - ohne dabei eine Bank einzubeziehen", berichtet Strieckmann. Ihn plagen solche Sorgen nicht, und er glaubt auch an die Zukunft des Kommunalkredites.
Dass man sich angesichts des vermeintlichen Haller Reichtums und der starken Wirtschaft entspannt zurücklehnen könnte, bestreitet der Kämmerer dennoch vehement: "Natürlich haben wir seit 2008 regelmäßig Steuernachzahlungen zu verbuchen - aber das hat auch Folgen." Mit Blick auf die Vergangenheit werde Halle als steuerstarke Stadt eingestuft, kassiere deshalb keine Schlüsselzuweisungen des Landes und müsse eine vergleichsweise hohe Kreisumlage überweisen. "Mit den Nachzahlungen kann ich allerdings nie kalkulieren - und so kann es weiterhin vorkommen, dass der Haller Haushaltsplanentwurf ein Defizit vorsieht", sagt Strieckmann. Mit ihren Gebäuden und der wachsenden Infrastruktur habe die Stadt einen großen Block fixer Kosten zu stemmen. "Darum muss man auch in unserer Situation abwägen: Wo investiere ich und wo trenne ich mich auch mal von Gebäuden, vielleicht sogar unter dem Buchwert?"
Und auch den Fall des versiegenden Stroms der Steuernachzahlungen hat Halles Kämmerer im Blick: "Wir haben Rückstellungen für den Fall gebildet, dass wir zu hohe Vorauszahlungen der Gewerbesteuer zurückerstatten müssen. Das könnten wir uns allerdings auch nur ein Jahr leisten, nicht mehrere in Folge." Reichtum bleibt also eine Frage der Betrachtung.