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Ackern auf dem Punktekonto

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von Herbert Gontek

Borgholzhausen.
"Wir ackern neuerdings auf unserem Punktekonto, unsere angestammten Flächen sind rund um die Autobahntrasse zur Dispomasse geworden. Das muss man erst einmal ertragen können", so beschrieb gestern ein Landwirt die derzeitige Situation an der künftigen Autobahntrasse. Öffentlich genannt werden möchten er und sein Kollege nicht. "Wir haben noch ein langes Flurbereinigungsverfahren vor uns und wir möchten unseren sowieso kurzen Hebel in diesem Verfahren nicht noch weiter verkürzen", stellten beide fest.

In diesem Jahr mussten etliche Landwirte zwischen Holtfeld und Casum erstmalig mit den Folgen der neuen Autobahn leben. Im vergangenen Winter wurde mit den Ausgleichmaßnahmen begonnen. Es wurden Obstwiesen gepflanzt und Alleen angelegt. Aus der Sicht der Landwirte geschah dies ausschließlich, um für den Naturschutz optimale praktische und theoretische Bedingungen zu erreichen und Korridore zu den Grünbrücken anzulegen. So entstanden Grünstreifen, die willkürlich, gemessen an den bisherigen Ackergrenzen, im Gelände liegen. "Das ist für uns ein Pro-blem", sagen die Landwirte, "denn es entstehen für eine Übergangszeit Restflächen die verunkrauten, weil sie nicht ordentlich gepflegt werden. In diesem Sommer hatten wir Ärger mit Distelflugsamen genug." So schön die Bäume auch seien. In Verbindung mit einer angrenzenden Ackerfläche würden sie mit zunehmender Größe zu einem Problem.

Bei der Anlage der Zäune und der Schutzkäfige für die Obstbäume seien auch handwerkliche Fehler gemacht worden. Der Stacheldraht der Zäune sei auf die falsche Seite genagelt und das Material für die Schutzkäfige zu schwach gewählt worden. Die Weiderinder hätten viele Käfige schon beschädigt, so die Bauern.

Beweglichkeit im Detail, was den Flächenzuschnitt angehe, sei nicht zu erwarten, erklären die Landwirte, denn die Planung sei rechtskräftig abgeschlossen. Die Behörde sei zu keinem Kompromiss bereit, niemand wolle einen Fehler machen und eine Klage mit dem Naturschutz wagen, schätzen die Landwirte das Problem ein.

"Der Wert der landwirtschaftlichen Ländereien wird nur noch in Bodenpunkten und nicht mehr in Fläche angegeben. Damit ackern wir auf einem Punktekonto, dass sich in den kommenden 15 Jahren in seinem Punktewert nicht, aber in der Fläche nicht unerheblich verändern wird. Denn erst nach der Inbetriebnahme der Autobahn und der dann folgenden Flurbereinigung könne man als Landwirt mit einer endgültigen Flächenzuweisung auf der Basis seines Punktekontos rechnen", beurteilen die beiden die Sachlage.

Mitte September läuft die nächste Bauphase an. Hessel und Casumer Bach werden renaturiert, die ersten Baustraßen angelegt.

Die Landwirte wünschen sich von der Stadt Borgholzhausen etwas mehr Unterstützung. "Man muss im Rahmen der Flurbereinigung auch die In-frastruktur verbessern und die alten Kataster korrigieren. Teilweise haben die alten Flurkarten und die heutigen Grenzen nichts mehr miteinander zu tun. Unser letzter Wunsch ist, dass die Autobahn die Stadt nicht teilt oder Höfe Flächen bewirtschaften müssen, die jenseits der Autobahn liegen. Es ist schwierig alles zu regeln, aber man muss es mindestens wollen."


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