Von Anke Schneider
Halle (anke).
"Es ergeht im Namen des Volkes folgendes Urteil ..." Diesen Satz hat Amtsrichter Peeter Wilhelm Pöld in den vergangenen 35 Jahren am Haller Amtsgericht mehr als 10 000 Mal gesagt. Gestern sprach er - zumindest in Halle - zum letzten Mal im Namen des Volkes. Der 64-Jährige wechselt als Strafrichter für etwa ein Jahr zum Amtsgericht Bielefeld, bevor er in den Ruhestand geht.Möglich wurde der Wechsel nach Bielefeld durch die Pensionierung von Amtsgerichtsdirektor Dieter Wißmann. Sein Nachfolger, Dr. Guido Klein, wird in Halle keine Zivilsachen, sondern Strafsachen verhandeln. Für die Abteilung Ziviles kommt ein weiterer Richter nach
Halle.
In diesem Generationswechsel sah Peeter Wilhelm Pöld die Möglichkeit, nach Bielefeld zu wechseln. "Ich pflege derzeit meinen Vater und da ist das Amtsgericht in Bielefeld einfach näher am Wohnort", begründet er. Schon im Januar hatte Pöld seine Stundenzahl reduziert, um die Betreuung seines Vaters übernehmen zu können.35 Jahre war Peeter Wilhelm Pöld als Richter am Amtsgericht tätig. Anfang Juli 1979 wechselte er vom Amtsgericht Bielefeld in die Lindenstadt und verhandelte zunächst Jugendstrafsachen. "Hauptsächlich frisierte Mofas", erinnert er sich. Das sei zur damaligen Zeit ein wahrer Volkssport unter den Jugendlichen gewesen. Im Laufe der Jahre hat der Bielefelder mehrere Stationen im Amtsgericht durchlaufen. Zivil- und Bußgeldsachen hat er ebenso bearbeitet wie Zwangsvollstreckungen, Handelsregister- oder Nachlasssachen. "Ich habe allerdings in all den Jahren keine einzige Ehe geschieden", erzählt Pöld.
Während anfangs sein liebster Platz am Schreibtisch gewesen sei, sitzt er heute gerne im Richterstuhl im Sitzungssaal. In den 35 Jahren in Halle ist manch skurriler Fall über seinen Schreibtisch gegangen, an den er sich erinnert. "Vor allem Diebe, die nicht besonders helle sind, waren immer wieder lustig", sagt der Richter. Und erinnert sich an einen Steinhagener, der sich von oben durch das Dach eines Einkaufsmarktes gearbeitet hatte, aber nicht im Verkaufsraum herauskam, sondern an der Unterseite des Dachüberstandes. "Oder der, der seine Sturmhaube so spät aufgesetzt hat, dass ihn die Überwachungskameras noch gut filmen konnten", sagt der 64-Jährige amüsiert.
Hin und wieder waren die Sitzungen im Saal 21 des Amtsgerichtes aber auch eine nervenaufreibende Sache. Vor allem dann, wenn die Beteiligten das Gericht ganz offensichtlich anlogen. Dann hörte man von Richter Pöld Sätze wie "Passen Sie auf, dass der Bär nicht zu groß wird, den Sie uns hier aufbinden wollen". Und wenn es ganz dick kam, schlug der Jurist auch schon mal mit der Hand auf den Tisch. "Ja, manchmal muss man eben auch ein bisschen böse werden", sagt der Richter. Alles in allem ist der Bielefelder glücklich, dass er seine Laufbahn an einem kleinen Gericht wie Halle verbringen konnte. "Ein überschaubarer Bereich, ein freundliches Klima und eine gute Zusammenarbeit, auch mit den Anwälten."
1979 hätten die Mitarbeiter des Amtsgerichts mittags gemeinsam im Garten gegrillt, die einzelnen Zimmertüren des Gerichts seien nach Feierabend zwar abgeschlossen worden, der Schlüssel blieb jedoch stecken. "Daran musste ich mich erst gewöhnen", sagt Pöld rückblickend mit einem Schmunzeln.
So ganz aus dem Amtsgericht Halle verschwindet er aber noch nicht. Seine Tätigkeit als Betreuungsrichter in Halle wird Pöld bis zu seiner Pensionierung weiterführen. Angeklagte, die der Amtsrichter im Laufe der Jahre ins Gefängnis geschickt hat, werden dem Richter wohl keine Träne nachweinen, einige seiner Weggefährten werden ihn aber vermissen. "15 Jahre kenne ich Herrn Pöld und er war stets ein sehr angenehmer, fairer und großzügiger Richter, der auch dann noch über Bewährung nachgedacht hat, wenn es eigentlich keinen Grund dafür gab", sagt Strafverteidiger Jost Heidrich.
"Ich muss sagen, er war ein hervorragender Strafrichter, den ich sehr verehre", ergänzt Anwalt Torsten Rock. Pöld habe Angeklagte und Anwälte ausnehmend fair behandelt und stets Rücksicht auf die Termine der Anwälte genommen. "Das macht längst nicht jeder Richter."