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Wenn Aussteiger einsteigen

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Von Frank Jasper

Halle/Berlin. Was macht eigentlich der Exil-Haller Volker Surmann in seiner Wahlheimat Berlin? Die Antwort liefert in diesen Tagen der noch junge Verlag Voland & Quist in Form eines Taschenbuchs: »Extremely Cold Water« heißt der neue Roman, in dem Volker Surmann einmal mehr überaus charmant den Nerv seiner Generation trifft.

Dass es in seinem neuen Werk etwas zu lachen gibt, liegt auf der Hand. Als professioneller Spaßmacher dürfte der 42-Jährige vielen Hallern bekannt sein. Bereits auf dem Kreisgymnasium übte sich Volker Surmann als Kabarettist. Inzwischen passen seine Berufsbezeichnungen kaum mehr auf eine Visitenkarte: Autor (unter anderem für das Satiremagazin Titanic), Comedian (auch mal im durch das Fernsehen populär gewordenen Quatsch Comedy Club), Lektor (für den Satyr Verlag) Kolumnist (im schwul-lesbischen Magazin Siegessäule), Vorleser (zum Beispiel auf der Weddinger Lesebühne) und so weiter. Aha, irgendwas mit Medien also. Ganz genau! Und mit dieser hölzernen Überleitung, über die sich Volker Surmann höchstwahrscheinlich lustig machen würde, wären wir auch schon bei der Hauptfigur seines aktuellen Romans.

Eugen Thomas heißt der Held und macht auch irgendwas mit Medien. Doch dann steigt Eugen Thomas plötzlich aus: aus seinem Sportwagen, aus seinem halbdigitalen Social-Network-Leben in Berlin. Und nur eine Stunde später besitzt er Wanderstiefel aus einem Schuhdiscounter und ein Flugticket in die Sierra Nevada, ausgestellt für den kommenden Tag.

Eugen steigt ein: ins Flugzeug, ins Glückspiel in Nevada und in ein Ferienhaus am Lake Tahoe. Dort findet ihn ein neues soziales Netzwerk: Joshua, das Schlüsselkind von nebenan, und Phil, ein schwuler Callboy aus L.A. In dessen betagtem Toyota namens »Madonna« begeben sich die drei auf eine familiäre Rettungsmission nach Oregon. Dort gilt es, Joshuas Schwester vor ihrem Freund zu schützen.

Die Handlungswindungen sind überschaubar, der neue Roman lebt wie bereits Surmanns Debüt »Die Schwerelosigkeit der Flusspferde« vor allem von einem augenzwinkernden Blick auf den alltäglichen Wahnsinn. Dabei gewinnt Surmann selbst den banalsten Dingen ein Maximum an Skurrilität ab, ohne Angst vor Albernheiten. Die grob komischen Details findet er in der Warteschlange vor Starbucks Coffee genauso wie im 14. Stock eines Hotels.

Menschen, die in den 90ern groß geworden sind und sich jetzt mit »um die Vierzig« immer noch für einigermaßen trendy halten, werden sich in dem Roman wiederfinden. Surmanns Figuren hören Punk von NOFX, dröhnen sich im Techno-Tempel Berghain zu, wissen etwas mit der Buchstabenfolge TKKG anzufangen und geben ihrem Leben mit unnützen Facebook-Postings einen Sinn. Und doch ist da eine Metaebene, auf welcher der Leser den wahrhaft existenziellen Fragen begegnet. Es geht um den Sinn des Lebens, um Freundschaft, eben darum, was wirklich zählt. Und während Surmanns Protagonisten durch den Plot taumeln, darf gerne gelacht werden.

Für Volker Surmann ist »Extremely Cold Water« ein willkommener Anlass, seiner alten Heimat einen Besuch abzustatten. Am Dienstag, 28. Oktober, wird er den Roman in der Alten Lederfabrik in Halle vorstellen.

»Extremely Cold Water« von Volker Surmann, erschienen im Verlag Voland & Quist, 288 Seiten.


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