Von Sven Hauhart
Steinhagen-Amshausen. "Das ist beruhigend, dass dir das auch mal passiert." Die Teilnehmerinnen des sechsten Flamenco-Workshops des TSV Amshausen sind erleichtert. Lehrer Antonio Dias ist beim Vorführen einer Tanzfigur soeben der Fächer aus der Hand gefallen.
Dabei ist der in Lissabon geborene Wahlberliner ein Meister seines Faches. Seit über 20 Jahren beschäftigt sich Antonio Dias mit dem Flamenco. Von einmal die Woche über tägliches Training bis hin zu einer einjährigen Ausbildung in Sevilla erweiterte der 44-jährige Portugiese stetig seine Fähigkeiten.
Mittlerweile begeistert er sein Publikum bei Auftritten in ganz Europa und betreibt in Berlin eine eigene, renommierte Flamencoschule. Entgegen der außerhalb Spaniens weit verbreiteten Vorstellung, die Flamenco alleine auf den Tanz reduziert, ist für die Bewohner der iberischen Halbinsel der Gesang das wichtigste Element. Erst dazu gesellen sich Rhythmus - der ursprünglich durch einfaches Klatschen vorgegeben wird - und Tanz.
"Flamenco ist eben nicht nur Kastagnetten und Folklore", umschreibt Dias das komplexe Wechselspiel der drei Elemente, welches noch um das Gitarrenspiel bereichert werden kann. Seine Leidenschaft erklärt Dias so: "Ich empfinde es als eine Art Sucht, da man nie ausgelernt hat. Im Gegensatz zum Ballett, wo man mit 30 fertig ist, kann man sich beim Flamenco auch im Alter immer noch weiterentwickeln."
Dies verwundert nicht. Gibt es doch mehr als 100 verschiedene Stile, die laut Dias "alle verschiedenen andalusischen Städten zugeordnet sind." Denn die südspanische Provinz ist die eigentliche Heimat des Flamenco, der dort von den andalusischen Roma, den sogenannten Gitanos, entwickelt wurde. Die ursprünglich aus Nordindien kommenden Roma drücken in den orientalisch beeinflussten Gesängen ihre Gefühle von jahrhundertelanger Verfolgung und Unterdrückung aus.
Im Vereinsheim des TSV Amshausen bringt Antonio Dias den Teilnehmerinnen des dreitägigen Workshops die sogenannte Bulería näher. Der aus Jerez de la Frontera stammende Gesang gehört rhythmisch gesehen zu den schwierigsten, aber auch zu den interessantesten Stilen.
Und so klappen bei den Schülerinnen nicht auf Anhieb alle Figuren. Besonders als Dias den Fächer in die Übungen integriert, wird es schwierig. Doch um Perfektion geht es beim Flamenco sowieso nicht. Um den eigenen Stil zu finden, ist viel Improvisation erforderlich. "Interessant wird der Tanz erst, wenn man dabei sein Herz öffnet, um etwas von sich zu geben", sagt Dias. Ein fallengelassener Fächer stört dabei nicht wirklich.