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"Wir halten festen Mutes durch"

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Von Frank Jasper

Steinhagen-Bockhagen. "Ihr bewahret die Heimat vor der lüsternen Gier und Rachsucht der Feinde, wir pflegen Eure und unsere Heimat, dass Ihr bei Eurer Rückkehr alles in gutem Stande wieder vorfindet." Sätze wie diese müssen wie Balsam auf der geschundenen Soldatenseele gewirkt haben. Sie stammen aus einem jener Rundbriefe, die während des Ersten Weltkriegs in Brockhagen verfasst wurden, um die Soldaten über die Geschehnisse in der Heimat zu informieren. Manuskripte dieser Front- oder Soldatenzeitungen sind jetzt bei den Vorbereitungen zur Ausstellung »Steinhagen und der Erste Weltkrieg« aufgetaucht.

Friedrich-Wilhelm Dickenhorst hat die Schriftstücke dem Arbeitskreis Geschichte vom Heimatverein Steinhagen übergeben, der in Zusammenarbeit mit dem Gemeindearchiv eine Ausstellung im Rathaus plant, die am 2. Dezember eröffnet werden soll. "Es sind wertvolle Dokumente, die einen Einblick in das Leben jener Zeit geben", hebt Gemeindearchivarin Petra Holländer die Bedeutung der Manuskripte hervor. Sie stammen aus dem Fundus einer gebürtigen Brockhagenerin, die sie Friedrich-Wilhelm Dickenhorst übergeben hatte.

Wie bereits berichtet, war es durchaus üblich, dass die Menschen Ausgaben der Tagespresse an die Front schickten. So gelangten auch Ausgaben des Haller Kreisblatts in die Schützengräben. In Brockhagen ging man noch weiter und machte sich die Mühe, eigens für die Soldaten einen Nachrichtenbrief zu verfassen.

Eine der 17 erhaltenen Ausgaben ist auf das Jahr 1915 datiert. "Für die Brockhäger im Wehrdienst" ist die mit einfachsten Mitteln erstellte Zeitung überschrieben, die über die Feldpost den Weg zu den Soldaten fand. Carl Rolf, der damals ein Lebensmittelgeschäft im Ort betrieb, stellt darin mit markigen Worten die Verbindung zwischen Front und Heimat her: "Wir halten festen Mutes durch, wie Ihr da draußen in Feldschlacht und im Schützengraben, so wir hier drinnen in Arbeit und Gebet."

Über das Nachrichtenblatt aus Brockhagen erfuhren die Soldaten auch, welcher der ihren andernorts gefallen ist. In der vorliegenden Ausgabe wird der Tod des "Wehrmanns Elbracht aus der Patthorst" beklagt. "Er fand in Russland durch eine Kugel den Heldentod", schreibt Autor Carl Rolf und weiter: "Das Eiserne Kreuz erhielt der Gefreite August Gressel, der verwundet im Lazarett zu Bromberg weilt. Außerdem sind verwundet: Franz Bante im Lazarett Charlottenburg, Heinrich Bante im Lazarett Samtens bei Posen und Franz Redemeier im Lazarett Weimar."

Zu jener Zeit wird in Brockhagen an der sogenannten Münsterstraße gebaut. "Welche Straße damit gemeint ist, lässt sich nur mutmaßen", stellt Gemeindearchivarin Petra Holländer fest, "zu der Zeit gab es in Brockhagen nur Hausnummern und keine Straßennamen. In der Soldatenzeitung von 1915 heißt es: "Täglich arbeiten etwa zehn Gefangene daran. Jedenfalls wird die Chaussee im Laufe des Winters noch fertig."

In einer weiteren Ausgabe aus dem Jahr 1916 teilt Pastor Wilhelm Kley den heimischen Soldaten mit, wer im April getauft und beerdigt wurde und welche Hochzeiten es aus Brockhagen zu vermelden gibt.

Unter der Überschrift »Vaterländisches« schlägt der schreibende Pfarrer einen pathetischen Tonfall an, in dem er den Soldaten Mut zuspricht, um wenig später den Frieden herbeizusehnen: "Die eiserne deutsche Mauer hält Stand. Wir danken es den tapferen deutschen Soldaten, wir danken es unserem Gott, dem Herrn der Heerscharen und Lenker der Schlacht. Gebe Gott, daß die Heimkehr im Frieden bald erfolgen kann."

In einem weiteren Beitrag der April-Ausgabe informiert Fritz Schmalhorst über den lang anhaltenden Winter, der den Bauern in Brockhagen zu schaffen macht. "Die Vorräte an Heu und Rüben sind recht klein geworden und da Klee und Wiesen vierzehn Tage später mähfähig sind, herrscht bei manchen Landwirten eine wirkliche Futternot", schreibt Schmalhorst, der nach Recherche von Friedrich-Wilhelm Dickenhorst als Rendant bei der Sparkasse beschäftigt war. Weiter ist zu erfahren, dass die Brockhagener 75 Schweine für die Heeresverwaltung beisteuerten.

Positives gibt es von der sechsten Kriegsanleihe zu vermelden. "Bei der Spar- und Darlehnskasse wurden von 225 Zeichnern 144 000 Mark zusammengebracht", schreibt Schmalhorst. "Als Patriot zeichnete man damals Kriegsanleihen und leistete damit seinen Beitrag fürs Vaterland", erklärt Gemeindearchivarin Petra Holländer dazu. Das begrüßt auch Autor Schmalhorst und stellt fest: "Das ist ein Ausdruck des Siegeswillens unseres Volkes."

Weiter wird über die Ankunft "der Industriekinder aus Remscheid" berichtet. Petra Holländer geht davon aus, dass damit bedürftige Kinder gemeint sind, die zur Erholung von der Stadt aufs Land fuhren. "Der Begriff Kinderlandverschickung wird dafür vielfach verwendet. Offenbar war Brockhagen zu jener Zeit Ziel solcher Landurlaube", schlussfolgert die Gemeindearchivarin. Die lesenden Soldaten erfahren weiter: "Einige Kinder trieb das Heimweh zur Mutter sogleich wieder zurück. 45 sind geblieben, es scheint, daß diese sich in allen Familien rasch eingelebt haben."

Offenbar wurden die Lokalnachrichten gerne mit selbst verfassten Gedichten aufgelockert, so auch in den vorliegenden Ausgaben: "O daß der Lenz den Frieden bringt, Das ist’s, was wir erflehn, Wenn auch dem Feinde nichts gelingt, Wo unsere Mauern stehen. Der Friede, der gar fest und stark Uns sieht als tapfre Sieger. Dank ihm, der uns die Landesmark Beschützt, dem deutschen Krieger", verabschiedet sich Autor Schmalhorst "mit kameradschaftlichen Grüßen".

Einige der Zeitungen kamen von der Front wieder zurück nach Brockhagen. "Weil Papier knapp war, wurden die Rückseiten als Briefpapier verwendet", weiß Friedrich-Wilhelm Dickenhorst. Erhaltene Exemplare der seltenen Zeitdokumente sollen im Dezember im Rahmen der Ausstellung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.


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