vON FLORIAN GONTEK
Halle. Julie Bémers Ruhe ist bemerkenswert. Morgen wird sie von Düsseldorf aus in den Flieger steigen, um zwei Zwischenstopps und 17 Stunden später für 364 Tage eine andere Welt zu erleben. Die sympathische Haller Abiturientin reist mit der Entsendeorganisation ICJA, die weltweiten Freiwilligenaustausch anbietet, in die Dominikanische Republik. Was die 18-Jährige mit französischen Wurzeln dort erwartet, weiß sie noch nicht exakt. Pläne für danach hat sie aber schon geschmiedet.
Erst einmal steht für Julie jedoch die Dominikanische Republik im Fokus. In der nördlichen Provinz Hermanas Mirabal wird sie in einer von 17 Kindertagesstätten des Bezirkes, der Oficina Técnica Provincial arbeiten, die sich speziell um Kinder aus den dominikanischen Slums kümmert.
"Die Kinder dort sind zwischen drei und fünf Jahre alt und kommen vormittags in die Einrichtung", erklärt Julie. Neben Kümmern und Spielen mit den Kleinen wird sie nachmittags häufig selbst zu den Familien in die Slums reisen und schauen, wie dort gelebt wird. "Das größte Ziel meiner Organisation ist es, die Entwicklung der Frau zu unterstützen. Die Kindertagesstätten sind auch dazu da, um die Mütter Zuhause zu entlasten und so die Rolle der Frau zu fördern", erklärt Julie, die in verschiedenen Seminaren auf ihre Arbeit vorbereitet wurde. Ganz in der Nähe wird die Abiturientin - voraussichtlich bei einer Gastfamilie - auch leben. Nachdem Julie erst geplant hatte, in einem Nationalpark zu jobben, ist die Abiturientin nun wunschlos glücklich, dass es mit ihrem Projekt in der Dominikanischen Republik geklappt hat. "Über Facebook habe ich einem Mädchen geschrieben, die im gleichen Projekt arbeitet, dass ich sie nun auch unterstützen werde. Sie sagte mir, ich werde es lieben", ist die Vorfreude bei ihr bereits "riesengroß". Alternativ hätte sie von ihrer Organisation auch in einem Jugendzentrum oder einem Wirtschaftsgymnasium arbeiten können.
Mit dem, was die Hallerin, die seit früher Kindheit in Steinhagen voltigiert, später beruflich machen möchte, hat ihr Auslandsaufenthalt allerdings nur wenig zu tun. "Ich möchte auf jeden Fall etwas Handwerkliches machen, ein Bürojob ist wirklich gar nichts für mich", lacht Julie. In die Konditorei eines Freundes ihres Vaters, nahe dem französischen Metz, konnte sie schon für einige Woche hereinschnuppern und war - ebenso wie der Chef von ihr - begeistert.
Julie plant ihre Ausbildung zur Konditorin dort zu absolvieren und träumt davon, später eine kleine französische Konditorei in Halle zu eröffnen. Zumindest die französische Sprache sollte ihr bei alledem keine Probleme bereiten. Im Juni dieses Jahres schaffte sie als zweite Schülerin der KGH-Geschichte das C1-Niveau der DELF-Prüfungen, das französisches Sprechen auf Universitätsniveau bescheinigt.
Dass die Dominikaner Spanisch und nicht Französisch sprechen, macht Julie dabei wenig Sorge. "Ich glaube, ich lerne das sehr schnell. Auch, weil es viele Ähnlichkeiten zum Französischen gibt", ist Julie, die bereits ein halbes Jahr in der Schule Spanisch gepaukt hat, zuversichtlich.
Trotz großer Vorfreude hat Julie auch Angst, in Halle etwas zurückgelassen. Am Sonntag haben sich ihre Freunde von ihr verabschiedet. "Ich habe schon Angst, dass die Kontakte nicht mehr da sind. Schließlich lebe ich bald ein ganz anderes Leben und mein Fokus liegt nicht mehr bei meinen Freunden in Deutschland", erklärt die in der Kirchengemeinde engagierte Hallerin.
Morgen wird Julie, die in unregelmäßigen Abständen im Haller Kreisblatt und ihrem eigenen Blog über ihre Erlebnisse berichten wird, von ihren Eltern Angelika und Laurent, sowie Schwester Anna (15) und ihrem besten Freund Jérôme zum Düsseldorfer Flughafen gebracht. Auch der Gedanke daran macht sie nicht hektisch. "Ich freue mich einfach auf die Zeit und hoffe, dass ich dort ein anderes Leben und eine andere Mentalität kennenlernen werde."