Versmold (sim).
Wenn Bruder Dickbert Ablassbriefe verkauft, Magnus Medicus Leibkneterei anbietet und Dekadenzia das Wasser im Badezuber anheizt, dann hat das Mittelalter in Versmold Einzug gehalten. Noch fünf Wochen müssen sich allerdings alle gedulden, die gerne eine Zeitreise antreten möchten. Erst am Wochenende des 6. und 7. September öffnet der zweite Versmolder Mittelaltermarkt seine Pforten.Auch wenn die Premiere des Spektakels im vergangenen Jahr durch beinahe sintflutliche Regenfälle getrübt war, so hat sie doch vielen ganz offensichtlich Lust auf Mehr gemacht. "Wir haben damals im Anschluss sehr viele E-Mails und Facebooknachrichten bekommen, mit der Bitte, unbedingt weiterzumachen", berichtet Jennifer Oldach vom Versmolder Stadtmarketing. Und so werden am ersten Septemberwochenende rund 40 Künstler und Händler sowie 13 mittelalterliche Heerlager im Versmolder Stadtpark ihr Quartier aufschlagen.
"Die Mittelalterszene ist wie eine große Familie", sagt Werner Laudick vom Veranstalterteam »Ars Westfalica«. Man kennt sich in der Szene. Und so geraten Laudick, stilecht im Kostüm eines Kaufmannes aus der Mitte des 15. Jahrhunderts gekleidet, und seine Mitstreiterin Ulrike Bitterlich-Nietsch, die als »Weib des Marktvogts» ein bürgerliches Gewand trägt, ins Schwärmen angesichts der Teilnehmerliste.
Für den richtigen musikalischen Ton sorgen die Mittelalter-Musiker »Des Wahnsinns fette Beute« aus dem Münsterland und die Gruppe Scherbelhaufen aus Brandenburg, deren Mitglieder, so versichern die Experten, Urgesteine der mittelalterlichen Marktmusik und in der Szene weithin bekannt seien.
Ein Höhepunkt der zweitägigen Veranstaltung soll die spektakuläre Feuershow von Chapeau-Claque-Rouge sein, die das Versmolder Publikum bereits im vergangenen Jahr beeindruckte. Für Freunde mittelalterlicher Schwertkämpfe wird es mehrere Showelemente von Gruppen- und Einzelkämpfern geben. "Teilweise auch mit Vollkontakt", sagt Werner Laudick und deutet damit an, dass sich die Ritter nichts schenken werden.
Bei weitem nicht so hart, sondern dick gepolstert, werden die Kinder sein, wenn sie sich ebenfalls im Kampf üben wollen. Denn für den Nachwuchs wird es kleine Gefechte geben, bei denen alle mitmachen können.
Verköstigt werden die Besucher natürlich auch nur mit rein mittelalterlichen Spezialitäten. "Pommes und Currywurst gab es damals noch nicht", sagt Werner Laudick und ist stolz auf das Angebot. Natürlich wird es eine Schweinebräterei geben, und auch Kartoffelecken und Flammkuchen gehörten vor 600 oder 800 Jahren offenbar schon zum Küchenrepertoire. Nicht zu vergessen Met, Kirchbier und Absinth, die es in den Tavernen auf dem Stadtparkgelände gibt.
Zu den Handelsständen, die aufgebaut werden, gehören zum Beispiel ein Kramerladen, der »Palast der Sinnlichkeit«, Edelsteinhändler oder eine Spinnerei. "Besonders, wer gerne ökologische Waren, wie zum Beispiel handgefärbte Wolle, kauft, wird auf dem Markt fündig werden", sagt das Weib des Marktvogts Ulrike Bitterlich-Nietsch, und fügt mit Blick auf die 12 000 Quadratmeter große Parkfläche hinzu: "Das Gelände hier ist wirklich super geeignet für einen Mittelaltermarkt und schafft genau die passende Atmosphäre."
Davon ist auch Bürgermeister Michael Meyer-Hermann überzeugt, der zur Ankündigung des Marktes stilecht in mittelalterlicher Kleidung als einfacher Bürger gewandet war. "Der Stadtpark war lange Versmolds best gehütetstes Geheimnis", sagt er, die Zeiten seien inzwischen vorbei und deshalb freue er sich sehr über den Mittelaltermarkt in Versmolds grünem Wohnzimmer.