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Vorbereiten wie die Profis

von sven hauhart

Marienfeld. Weltmeistertrainer Luiz Felipe Scolari, Schleifer Felix Magath oder »The Special One« José Mourinho - die Liste prominenter Fußball-Lehrer, die ihre Mannschaften in der Marienfelder Klosterpforte auf wichtige Spiele eingeschworen haben, ist lang. Die von den Profis besonders geschätzte ruhige Atmosphäre des vor über 800 Jahren von Zisterziensermönchen gegründeten Klosters genossen jetzt auch die Fußballer des SV Häger.

Als Hägers Trainer Pascal Hofbüker seine Spieler auf den frisch präparierten Rasenplatz der Klosterpforte bittet, wird diese Stille nur von der Kapelle einer auf der Seeterrasse des Hotels feiernden Hochzeitsgesellschaft durchbrochen. »The Girl From Ipanema« liefert die musikalische Untermalung zum Aufwärmprogramm der Nachmittagseinheit.

"Ich wollte, dass die Jungs mal sehen, wie die Bedingungen im höherklassigen Bereich sind", sagt Hofbüker. Der ehemalige Regionalligaspieler betrachtet das dreitägige Wochenendtrainingslager als Belohnung für die beiden vergangenen erfolgreichen Jahre mit Bezirksliga-Aufstieg und Klassenerhalt. "Dass heißt aber nicht, dass wir danach besser Fußball spielen", dämpft »Calli« mögliche Erwartungen, dass die professionellen Bedingungen aus seinen Hobbykickern automatisch Ballzauberer machen.

An technischen Feinschliff ist während der dritten Trainingseinheit an diesem Tag sowieso nicht zu denken. Trotz der brasilianischen Rhythmen im Hintergrund haben viele Hägeraner Spieler bei den Übungen sichtlich mit schweren Beinen zu kämpfen. "Wir machen hier ja auch keinen Wellness-Urlaub", sagt Hofbüker. Auch wenn seine Kicker die wenigen Pausen des straff durchgeplanten Trainingsprogramms mit Besuchen im hoteleigenen Schwimmbad überbrücken - die Nachfrage nach physiotherapeutischer Behandlung ist an diesem Nachmittag groß. Aber auch hierfür haben die Verantwortlichen des »kleinen HSV« gesorgt: Niklas Diekmann, der sonst die U 16 von Arminia Bielefeld durchknetet, hat alle Hände voll zu tun, um die Blessuren der Hägeraner Spieler zu lindern.

Denn für die meisten von ihnen ist eine derartige Belastung Neuland. Morgens um sieben ein einstündiger Lauf durch die ostwestfälische Idylle mit anschließenden Kräftigungsübungen. Vormittags zwei Stunden intensives Training auf dem Platz. Nachmittags noch mal eine 90-Minuten-Einheit. Dazu am An- und am Abreisetag jeweils drei weitere kräftezehrende Einheiten. "Wir haben hier Vollpension. Die ist aber auch nötig", berichtet Hofbüker schmunzelnd von einer sportlergerechten und kohlenhydratreichen Ernährung, die das Gesamtpaket der Klosterpforte abrundet.

Zum echten Profialltag fehlt da nur noch die Belagerung durch die Fans. Fast hätten die Hägeraner auch diese Erfahrung gemacht. "Als wir im Ort spazieren waren, haben uns Kinder aufgrund der Farbe unserer Trainingsanzüge zuerst für Spieler von Arsenal London gehalten", schildert Patrick Michel. Autogramme schreiben musste Hägers Kapitän dann allerdings doch nicht. "Die haben beim Näherkommen schnell unser Vereinswappen gesehen und sind enttäuscht wieder umgedreht", sagt Michel amüsiert.

Aber nicht nur hinsichtlich der Autogrammwünsche unterscheiden sich die Hägeraner von den Stars. Denn zur Finanzierung ihres Trainingslagers mussten die Bezirksligakicker in die eigene Tasche greifen. "Die Hälfte der Kosten haben Sponsoren übernommen, die andere Hälfte zahlen die Spieler selbst", sagt Hägers Obmann Johannes Pankoke. der über die Gesamtkosten Stillschweigen bewahrt. Dennoch lässt er durchblicken, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis selbst für Amateurklubs durchaus erschwinglich sei. "Wenn fünf Leute gesagt hätten, dass ihnen das zu teuer ist, wären wir nicht hier", ergänzt Trainer Hofbüker, der stolz darauf ist, dass seine Mannschaft mit vollem Kader in die Marienfelder Idylle gereist ist.

Das Erlebte missen möchte niemand der 23 Hägeraner. So wie HSV-Urgestein Gökay San, der beim Warmlaufen mit dem »Girl From Ipanema« immer noch wie ein Kind im Bonbonladen staunt: "Das ist schon absoluter Wahnsinn, so etwas mal hautnah mitzubekommen."


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