Von Rolf Uhlemeier
Halle-Hörste. "Weil ich es kann!" Die Antwort auf die Frage, warum er satirische Geschichten schreibt, kommt wie aus der Pistole geschossen und klingt absolut logisch. Natürlich! Dennoch lässt Heiko Kaiser ihr ein Lächeln folgen, als müsse er sich für diese Feststellung entschuldigen." Das muss er nicht: Der Herr der Internetseite »www.der-kaiserschmarrn.com« hat Satire im Blut und kann sie auch noch trefflichst in Worte fassen: "Ich bin auf den Postillion, eine Satireseite im Netz, gestoßen, als er den Grimmepreis bekommen hat, und habe mir gedacht, das könnte man auch auf lokaler Ebene machen."
"Als ich im Urlaub Zeit hatte, darüber nachzudenken, sind mir spontan gleich drei, vier Geschichten eingefallen, die ich machen könnte", sagt der Lokalredakteur in Erinnerung an die Anfänge. Im September des vergangenen Jahres hat der Hörster dann seine Idee in die Tat umgesetzt. Mit »WordPress« und der Hilfe einer Bekannten hat er den »Kaiserschmarrn« ins Netz gebracht. Selbstverständlich mit einem Logo, das Grafiker André Lipka mit des Kaisers Krone und des Narren Kappe entworfen hat.
"Satire ist eine gute Art, in leichter Weise auf Missstände hinzuweisen", sagt der im Exil wohnende Künsebecker, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass sie beim »Kaiserschmarrn« nie böse sei und niemanden verletzen wolle.
Als sämtliche CDU-Politiker bei einer Sondersitzung des Rates zur Abstimmung über die Haller Gesamtschule geschlossen den Saal verließen, fand der »Kaiserschmarrn« exklusiv den Grund heraus: Die Christdemokraten litten unter einer kollektiven Blasenentzündung, die sie sich nach Recherchen der Satireseite zugezogen hatten, als sie mit den Genossen so richtig Schlitten gefahren waren.
Mittlerweile hat Heiko Kaiser knapp 40 satirische Hintergrundberichte auf seiner Internetseite veröffentlicht. Der Kreis der Freunde der sprachlichen »Süßspeise« aus der Feder des Wahl-Hörsters nimmt stetig zu. Auch auf Facebook hat der »Kaiserschmarrn« eine eigene Seite, auf der die Geschichten angerissen werden und die mit der Internetseite verlinkt ist.
"Ich werde oft darauf angesprochen", sagt der vielseitige Lokaljournalist und freut sich über die Resonanz: ",Schau mal, da kommt der Kaiserschmarrn’, rufen mir die Leute zuweilen entgegen und sprechen mich auf die aktuellen Berichte an." Dabei kommt es auch immer wieder zu Rückmeldungen, die selbst Stoff für einen »Schmarrn« liefen könnten: "Einige Menschen nehmen die Geschichten für bare Münze, reagieren überrascht oder gar ärgerlich." Glaubhaft erschien einigen Zeitgenossen die Erfindung eines Druckers, mit dessen Hilfe ein Fleischstädter künftig Salamischeiben übers »world wide web« verschicken will. Bestürzte Reaktionen gab es auf die Ankündigung, die Stadt Halle werde in ihrem Bauwahn auch vor dem altehrwürdigen Kirchplatz nicht Halt machen und St. Johannis für dringend benötigte Wohnbebauung opfern. In der Tat eine empörende Nachricht.
Dabei, und das ist die große Stärke des »Kaiserschmarrn«, sind alle Geschichten und Hintergrundberichte absolut exklusiv. Das es zuweilen nicht ganz leicht ist, zwischen Fiktion und Realität zu unterscheiden, zeige nach Ansicht des 52-Jährigen aber auch, dass die satirischen Beiträge nicht immer weit von der Realität entfernt seien.
Augenzwinkernd wies der »Kaiserschmarrn« unlängst darauf hin, dass die Kreisverwaltung wohl zu viele Buchstaben eingekauft habe. Diese müsse man nun wohl in zahlreichen falsch geschriebenen Wörtern auf Hinweisschildern unterbringen, um sie wieder loszuwerden. Ist doch logisch, wo soll man den ganzen Haufen Vokale und Konsonanten denn auch sonst lassen.
Zu seinen Geschichten kommt der Herr des »Kaiserschmarrns« wie dereinst »Isaak Newton« zum Gravitationsgesetz. Ausgesprochen selten fällt dem König der Altkreissatire allerdings ein Apfel auf den Kopf, dafür fallen ihm aber die kuriosesten Gedanken ein: "Ich setze mich nicht hin und suche nach einer Idee. Sie ist plötzlich einfach da und dann entwickelt sich die Geschichte von ganz allein", erklärt der Autor und ergänzt: "Die Texte sind dann oft in einer Dreiviertelstunde fertig." Zuweilen wird es aber doch zu absurd und dann lässt der »Kaiser des Schmarrns« sie wieder in den Windungen seines Gehirns verschwinden.
Großartig sind auch die »Kurzmeldungen zum Wochenanfang«: Da werden unter »Laus über die Leber gelaufen« katastrophale hygienische Zustände im OP-Saal angeprangert, wird auf den Kuhzüchter-Verband hingewiesen, der unter den Mägden die »Milchschnitte« des Jahres kürt oder ein neues Deodorant für Tennisspieler mit dem Namen »Netzroller« präsentiert. Noch geistreicher wirds, wenn das Rotwild die »vergebliche Rehanimation« an der Futterkrippe todlangweilig findet und es zum Kirchenbann für einen fußballverrückten Geistlichen wegen »Götze-Verehrung kommt.
Seinen speziellen Humor hat Heiko Kaiser schon früh entdeckt, sich bereits in jungen Jahren für die Geschichten von Woody Allen mit Titeln wie »Wie du dir so ich mir« und »Ohne Leit kein Freud« (das t spiegelt übrigens nicht die Unwissenheit des Autors wider) begeistert. In seinen Texten geht es dem Mann, der seinen Finger gern in die Wunden seiner Mitmenschen legt, nicht um politische Aussagen: "Ich bin weit davon entfernt, eine Partei zu begünstigen", sagt der Meister des geschriebenen Wortes, der sich den heimischen Volksvertretern parteiübergreifend mit großer Freude und spitzer Feder widmet. Da bekommen die Grünen ebenso ihr Fett weg wie die Schwarzen und selbstverständlich auch die Roten.
Um seine hintergründigen Recherchen an den Mann - hier sind Frauen übrigens ausdrücklich mit einbezogen - zu bringen, ist das Internet ein optimales Medium. Bevor er einen Text scharf stellt, muss er allerdings erst die hohe Hürde der hausinternen Kritiker nehmen: "Ich lese sie zunächst meiner Frau und meinen Kindern vor."
Wenn rechtliche Konsequenzen drohen, landet eine Geschichte auch schon mal im Papierkorb. "Ich mache das aus Spaß", sagt Heiko Kaiser und bekräftigt, dass er sich damit keinen Ärger einhandeln wolle: "Es soll kein Humor auf Kosten anderer sein, soll keinen verletzen und es soll sich keiner angegriffen fühlen."
Ein bisschen Schmunzeln und ein bisschen Nachdenken kann aber beim Genuss des »Kaiserschmarrn« nicht schaden und dann ist es ja auch ganz schön, wenn man nicht nur über andere lachen kann. Denn Vorsicht: Der nächste »Kaiserschmarrn« ist bestimmt schon in Arbeit und vielleicht handelt er ja von DIR.