Von Silke Derkum und Marc Uthmann
Versmold. Am Ende waren es wieder die Herren in Anzügen: Drei Männer besetzen Versmolds Bürgermeisterposten (das HK berichtete), sechs von sieben politischen Ausschüssen werden von Männern geleitet, 22 von 34 Mitgliedern des Stadtrates sind - Männer. Es sieht nicht so aus, als ob das Stühlerücken nach der Kommunalwahl einen Fortschritt auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung gebracht hat. Im Gegenteil, die Herren der Zunft scheinen sich an den Schalthebeln der Macht in Kommunalpolitik und Verwaltung zu behaupten. Doch sehen sich die Frauen keinesfalls in die Ecke gedrängt.
"Ich bin da wenig Feministin", sagt die einzige FDP-Frau im Stadtrat, Ulrike Poetter (70) - und das klingt weniger nach einem Eingeständnis als nach trotziger Überzeugung. "Ich bin 1970 in die Partei eingetreten und nach einem halben Jahr in den Kreisvorstand aufgerückt. Weil damals keiner Schatzmeister werden wollte", erinnert sich Poetter und lacht. Doch habe sie sich den Respekt schon erarbeiten müssen. "Manchmal hatte ich das Gefühl, dass sich die Herren mit einer Frau nur schmücken wollten. Da wirst du schnell zur Rose im Knopfloch - den Zahn habe ich ihnen gezogen." Für Poetter gilt: Haben Frauen Spaß an einer Aufgabe, überzeugen und wollen sich einbringen, werden sie einbezogen. "Gleichzeitig beobachte ich, dass Frauen auch heute noch Prioritäten setzen. Oft kommt für sie erst die Familie und dann ein Amt mit abendlichen Sitzungen. Männer nehmen sich hingegen Zeit für die Familie, wenn keine Sitzung ansteht."
Diese Erfahrung musste auch Marianne Kampwerth machen, als sie CDU-Kandidatinnen für den Stadtrat suchte. "Ich habe nicht mehr gefunden - oft, weil sich die Frauen nicht zutrauten, Familie, Politik und Beruf unter einen Hut zu bringen." So sind nur drei der 13 CDU-Stadtratsmitglieder weiblich.
Übernehme eine Frau allerdings Verantwortung, sehe sie sich oft mit Vorurteilen konfrontiert: "Hat ein Mann viele Ämter, heißt es: Der ist aber gut! Uns wird vorgeworfen, dass wir überall unsere Nase reinstecken", sagt Kampwerth. Dabei täten weibliche Eigenschaften wie Einsatzbereitschaft und Einfühlungsvermögen ihrer Ansicht nach der Politik sehr gut: "Mit einer verpflichtenden Quote würde ich das aber trotzdem nicht durchsetzen wollen."
Die Versmolder SPD - die wie die Grünen betont, ihre Fraktion möglichst geschlechtergerecht zu besetzen - stellt in Petra Pölzing die einzige weibliche Ausschussvorsitzende (Integration, Generation, Inklusion und Soziales). Doch hätten die Sozialdemokraten Pölzing auch erneut als stellvertretende Bürgermeisterin ins Rennen schicken können - sie entschieden sich für Horst Hardiek. "Ich sehe es nicht so, dass wir damit eine Chance vertan haben", sagt der SPD-Ortsvereinsvorsitzende Patrick Schlüter: "Wir haben zwei Personen in unseren Reihen, die über Jahre gezeigt haben, dass sie das Amt ausfüllen können. Wir mussten eine Lösung finden." Nun wird Petra Pölzing voraussichtlich im Sommer 2017 wieder stellvertretende Bürgermeisterin - wenn Hardiek sein Amt niederlegt.
Dass auch im Rathaus die Führungspositionen neben Bürgermeister Michael Meyer-Hermann mit drei Männern und einer Frau besetzt sind, mag der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende nicht als Beleg für überkommene Strukturen werten: "Wir hatten in der Verwaltung in den vergangenen Jahren nur zwei Top-Positionen neu zu besetzen." Im Fachbereich Planen, Bauen, Umwelt kam Nina Herrling als Nachfolgerin von Hartmut Lüdeling zum Zuge, bei der Allgemeinen Verwaltung war es Carsten Wehmöller als Nachfolger von Karl Wilhelm Mummert. "Weil er qualifiziert war und die nötigen Erfahrungen gesammelt hatte." Gleichberechtigung, so Schlüter, müsse als Prozess betrachtet werden. "Strukturen, die sich über Jahrzehnte gebildet haben, lassen sich nicht über Nacht ändern."
Wobei Versmolds Frauen trotz aller Kritik auch heute schon wichtige Posten besetzen: Marianne Kampwerth führt den CDU-Stadtverband, Liane Fülling die SPD-Fraktion, Susanne Stuckmann-Gale die der UWG. Mit Blick auf den Kreistag gilt für Versmold sogar eine 100-prozentige Frauenquote: Denn auch hier entscheiden Fülling und Kampwerth als Vertreterinnen ihrer Heimatstadt mit. Es sind Erfolgsmeldungen in einem Prozess, der noch nicht abgeschlossen scheint.