von alexander heim
Werther.
Nein, »Smoke on the water« war es nicht, den die Wertheraner da zu sehen bekamen. Den Rauch, der dem Kohlenmeiler in Isingdorf aus allen Poren entstieg und der selbst über die Landstraße gen Bielefeld zog, hingegen schon. Seit er am Freitagvormittag entzündet worden war, schwelt der Meiler nun vor sich hin, verwandelt allmählich das in ihm aufgeschichtete Holz in Kohle. "Die Köhlerei war nie ein Lehrberuf", weiß Köhler Hartmut Thienen. Und müsste er nicht stets ein wachsames Auge auf den kleinen Vulkan haben, den er da angelegt hat, könnte er stundenlang darüber berichten. Die Besucher des Sommerfestes von Landfrauen und Landwirtschaftlichem Ortsverein vernahmen’s gern."Die Köhlerei gilt als eines der ältesten Handwerke", weiß Heiko Linhorst, der Vorsitzende der Landjugend in
Werther.
Und präsentiert die schier unglaublich klingende Zahl von 7000 Jahren. Köhler Hartmut Thienen kann sie nur bestätigen. "Man hat in der Türkei Schlackereste gefunden, die auf 5000 vor Christus datiert wurden", erklärt er. Schlacke bleibt als Restprodukt zurück, wenn Eisen geschmolzen wird. "Die Erze ließen sich früher ausschließlich mit Holzkohle schmelzen", erläutert Thienen. Nur dann wurden Temperaturen über 1000 Grad, die es dazu braucht, überhaupt erreicht.Der Reißhaken ist das Zunftzeichen der Köhler. Errichtet wurden die Meiler auf den sogenannten Hay-Plätzen. Die Kinder, die Hilfsdienste leisteten und den Köhlern zuarbeiteten, wurden Hay-Jungen genannt. "Damit", erklärt Hartmut Thienen, "fing die Karriere eines Köhlers an." Zuweilen bereits bei Achtjährigen.
Ganz so jung sind die Hay-Jungen von Hartmut Thienen jetzt nicht. Mitglieder aus den Reihen der Landjugend assistieren ihm. Schließlich will der Meiler - vor allem in den ersten vier Tagen - 24 Stunden lang, rund um die Uhr, nicht aus den Augen gelassen werden.
Zwei- bis dreimal im Jahr macht sich der 71-Jährige aus Benneckenstein im Oberharz auf den Weg, um irgendwo in Deutschland das alte Köhler-Handwerk zu demonstrieren. 14 Tage ist er dann jeweils unterwegs. "Die Kunst ist es, den Köhler am Schwelen zu halten. Er darf nicht brennen. Er darf aber auch nicht ausgehen."
25 Kubikmeter Holz hat er rund um den Quandelschacht aufgeschichtet. "Wir erwarten 1 bis 1,2 Tonnen Holzkohle als Ernte", verrät er. Wer miterlebt, wie der 71-jährige frühere Meister für Maschinenbau den Meiler mit dem Reißhaken öffnet, um Holz nachzulegen, der wundert sich, wie er über diese lange Zeit mit all dem Rauch, der ihn dabei umgibt, so gut zurechtkommt.
Wie weit der Prozess der Verkohlung fortgeschritten ist - das erkennt Thienen am Geräusch und am Rauch. Strömt dieser leicht bläulich aus den Löchern, die Thienen mit der Stange sticht, ist er auf einen verkohlten Bereich gestoßen. Zudem vernimmt man hier und da ein Knirschen, wo sich die Stange in den Meiler bohrt. "Da ist die Kohle", erklärt Thienen.
Immer größer wurde am Samstag die Traube der Menschen, die auf dem großen Acker am Isingdorfer Weg dem Köhler beim Handwerkern zuschauen wollten. Kühle Getränke und Bratwürstchen milderten den kleinen Hunger zwischendurch. Und so waren die Ohren weit offen für die Vorgänge bei dem chemischen Verfahren, das man »Trockene Destillation« nennt.
"Wir hoffen, dass wir die Wertheraner für das Handwerk begeistern können", sagt Heiko Linhorst und lädt alle Interessierten ein, am Ort des Geschehens vorbeizukommen, "um ein Bierchen zu trinken, und die Fortschritte am Meiler zu beobachten." Bis zum Köhlerfest am Sonntag wird’s da noch einiges zu sehen geben.