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Wie eine Steuer auf Gemüse aus dem Garten

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Von Detlef Hans Serowy

Werther/Halle. "Stellen Sie sich vor, Sie ernten einen Kohl aus Ihrem eigenen Garten und ein Finanzbeamter will Mehrwertsteuer von Ihnen kassieren, bevor Sie Ihren Kohl essen dürfen." Hermann Oberschelp ist einigermaßen fassungslos, wenn er über die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)
durch die Bundesregierung redet. Wirtschaftsminister Sigmar Ga-briel will die ausufernden Kosten der Energiewende für private Stromkunden begrenzen. Für Hermann Oberschelp, Unternehmer aus
Werther, setzt er dabei an einer völlig falschen Stelle an.

"Künftig sollen die Betreiber von neuen Solarstromanlagen mit einer Leistung von über zehn Kilowatt Peak (kWp) auf ihren selbst genutzten Strom eine EEG-Umlage von 3,1 Cent pro Kilowatt zahlen", empört sich Oberschelp. Das treffe genau den Mittelstand, der das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bilde, seine Steuern im Lande zahle und für viel Beschäftigung sorge. "Während kleine Privathaushalte so leistungsstarke Anlagen mangels Platz nicht betreiben, werden viele Industriebetriebe ganz von der EEG-Umlage befreit."

"Die richtige Grenze wären 100 kWp. Hoch genug, damit Gewerbebetriebe und größere Haushalte ausreichend starke Photovoltaikanlagen installieren, die dann Strom für den Eigenbedarf erzeugen können. Klein genug, um große Solarparks zu vermeiden", erläutert Hermann Oberschelp. Der 42-jährige Diplom-Ingenieur betrachtet die Sache von zwei Seiten. Gemeinsam mit seinem Partner Peter Horvath hat er auf dem Dach des EDV-Unternehmens ho.Systeme in Halle eine Solarstromanlage mit 23 kWp Spitzenleistung installieren lassen.

"Wir verbrauchen tagsüber viel Strom und den erzeugen wir uns zum größeren Teil selbst", beschreibt Oberschelp den Nutzen für das im EDV-Bereich breit aufgestellte Dienstleistungsunternehmen mit rund 30 Mitarbeitern. So wie ho.Systeme könnten viele Mittelständler mit hohem Strombedarf von einer eigenen Solarstromanlage profitieren. "Derzeit lässt sich eigener Strom für rund zwölf Cent pro Kilowattstunde erzeugen. Stromversorger berechnen über 20 Cent."

In Zukunft werde es sich der Betreiber einer Schlosserei oder eines anderen Betriebes gut überlegen, ob er mit mehreren 10 000 Euro für eine Solarstromanlage in Vorleistung treten solle, wenn ihn sein selbst erzeugter Strom auf einmal 15 Cent und mehr pro Kilowattstunde koste, so Hermann Oberschelp. Das sei nicht nur für die Solarstrombranche ein möglicher Nachteil, auch die Energiewende komme dabei ein Stück weit unter die Räder.

Der Ingenieur für Elektrotechnik ist mit ho.Systeme einerseits Verbraucher von selbst erzeugtem Strom. Er sorgt mit der Firma dylux GmbH & Co. KG aus Häger andererseits auch dafür, dass möglichst viele Solaranlagen auf die Dächer kommen und möglichst viel selbst erzeugter Strom auch vom Erzeuger verbraucht wird. "Zahlreiche Mittelständler können ihren Strom tagsüber gut selbst nutzen, für Privatkunden und andere Firmen liegt die Zukunft im Stromspeicher", steht für Hermann Oberschelp fest.

Die Energiewende könne nur gelingen, wenn nicht ständig mehr Solarstrom in die Netze gepresst werde, als die verkraften könnten. Deshalb entwickele sich gerade ein Markt von großen Batterien, die Solarstrom für die eigene Nutzung speichern können. "Mit einem Akku kann der Eigenverbrauch von 30 auf bis zu 70 Prozent gesteigert werden", rechnet der dylux-Geschäftsführer vor. Seit März 2013 ist das neue Unternehmen am Markt und in Werther wurde bereits im vergangenen Sommer der erste Stromspeicher in einem Privathaushalt installiert.

"Die Preise für diese Technik sind noch recht hoch, aber in einem Jahr schon spürbar gesunken", so Hermann Oberschelp. In der Kombination von Solarmodulen und Stromspeichern liegt für ihn die Zukunft. Je mehr Anlagen verkauft werden, desto günstiger wird der Preis.

Deshalb treibt den Mittelständler die Sorge um, mit der EEG-Reform könnte die alte Marktmacht der Stromkonzerne wieder gestärkt werden. Aus seiner Sicht wäre das eine fatale Entwicklung für die Energiewende und für private und gewerbliche Solarstromerzeuger.

Stichtag für die Reform ist der 1. August. "Leider drängt die Zeit. Nur langsam regt sich etwas Widerstand. Dieser kommt aus der, im Gegensatz zur Strom- und Atomlobby, schwachen Solarlobby und aus einigen Landesregierungen", erklärt Hermann Oberschelp. Er fordert zu Widerstand gegen die Reform in ihrer geplanten Form auf. "Nur ein weiterer kontrollierter und nicht beschnittener Ausbau regenerativer Energiequellen kann die schnelle Energiewende sicherstellen - zum Wohl unserer Umwelt und unserer Nachkommen."


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