Aus Dobczyce berichtet
Silke Derkum
Dobczyce. In vielen Augen schimmerten Tränen der Rührung, als die Organisatoren des deutsch-polnischen Kongresses in Versmolds Partnerstadt Dobczyce am Freitag vier ganz besondere Freunde auf die Bühne baten. Auf große Gesten verstehen sich die Polen. Und so verliehen sie Ex-Bürgermeister Thorsten Klute ihre Ehrenbürgerschaft und ernannten drei weitere Versmolder zu Ehrenbotschaftern Dobczyces. Nicht so emotional, dafür mit großer Spannung erwartet, wurde die Rede von Michael Meyer-Hermann. Das neue Stadtoberhaupt bekannte sich zu der Aufgabe, Versmolds internationale Freundschaften zu pflegen.
Die Erleichterung darüber war allen anzumerken. Denn Meyer-Hermanns Vorgänger Thorsten Klute hatte die Partnerschaften stets ohne Wenn und Aber gelebt. "Alles Neue bringt Veränderungen mit sich", sagte Pawel Machnicki, Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters der Stadt Dobczyce, "deshalb freuen wir uns, dass der neue Bürgermeister eine eindeutige Deklaration zu Dobczyce abgibt." Auch unter den Zuhörern, die zu großen Teilen der 50-köpfigen Delegation aus Versmold angehörten, war die Freude über das Bekenntnis spürbar. Ebenso wie die Anerkennung für Meyer-Hermanns souverän gemeisterten ersten Auftritt. Locker bedankte er sich für den - "in Ostwestfalen eher ungewöhnlichen" - herzlichen Empfang und sprach über die Widerstände, denen Stadtdirektor Ewald Tiggemann vor 20 Jahren begegnete, als er eine polnische Stadt als Partner vorschlug.
"Damals war ich elf Jahre alt, deshalb habe ich selbst nicht so viele Erinnerungen daran", sagte Meyer-Hermann und gab damit geschickt weiter an seinen Stellvertreter Horst Hardiek, der die Partnerschaft von Anfang an begleitet hat. Ebenfalls von Beginn an dabei waren neben Thorsten Klute Karl-Wilhelm Mummert als früherer Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters sowie Heiko Johanning als Vorsitzender des Freundeskreises der ersten sechs Jahre und sein Nachfolger Christian Ludewig. Die drei - Johanning hatte nicht mit nach Dobczyce reisen können - dürfen sich auf Beschluss des Stadtrates ab sofort Ehrenbotschafter Dobczyces nennen. Und auch Joanna Walas-Klute, Versmolderin aus Dobczyce, wurde für ihren Einsatz für die Verbindungen mit einem riesigen Blumenstrauß geehrt.
Dass sich bei all diesen Ehrungen nicht nur zwei befreundete Städte gegenseitig auf die Schulter klopften, sondern dass die Verbindung
Versmold-Dobczyce
auch aus der Außenperspektive bemerkenswert ist, machten die übrigen hochrangigen Redner des Kongresses deutlich. Immer wieder betonten sie, dass das deutsch-polnische Verhältnis, das eine durchaus schwierige und bewegte Vergangenheit hat, sich nicht nur durch Verträge und politische Konsultationen zu einer stabilen Partnerschaft entwickelt hat, sondern dass die Begegnungen zwischen Menschen die Basis für den Abbau von Vorurteilen und damit die Sicherung des Friedens in Europa seien."Deutschland ist bewusst, wie schwer der Weg zur Versöhnung nach all den Verbrechen war: erst der Dialog auf vielen Ebenen macht den Weg frei zur Partnerschaft", sagte der deutsche Generalkonsul in Polen, Werner Köhler. "Wir sollten nicht nur Idylle im deutsch-polnischen Verhältnis wahrnehmen, es gab auch Spannungen", sagte Janusz Sepiol, Senator von Polen, und nannte die Ostseepipeline von Russland nach Deutschland.
Und noch immer gebe es in Polen Parteien, die die Anti-Deutschland-Karte spielten. Aber Polen hätte ohne die EU nicht so erfolgreich Reformen durchführen können und dabei habe Deutschland eine absolute Schlüsselrolle gespielt. Die Annäherung sei möglich gewesen, da es in Deutschland eine Aufarbeitung der Vergangenheit gegeben habe. Und nun sei Polen ein Vorbild für Länder wie die Ukraine oder Georgien, wo man sehe: Veränderungen sind möglich.
Wie stabil die Basis dafür zwischen Versmold und Dobczyce ist, machte Pawel Machnicki am Ende des Nachmittags deutlich. "Die Freunde, die man um vier Uhr morgens anrufen kann, die zählen", zitierte er ein Sprichwort und sagte dann für alle Versmolder im Saal: "Und meine Handynummer lautet ..."