Von Anja Hanneforth
Werther.
Warum hat sich diese Technik nicht durchgesetzt? - So richtig erklären kann dies niemand. Sie sind leise, leistungsfähig und ausgesprochen umweltfreundlich. Dennoch sind Dampf-Automobile seit langem von den Straßen dieser Welt verschwunden. Dass diese Technik trotz allem fasziniert und einen kleinen, aber begeisterten Fanclub besitzt, zeigt sich in der kommenden Woche. Dann lädt das Automuseum in Melle vom 1. bis 4. Mai zur 15. Deutschen Dampf-Automobil-Tour ein. Und die macht am Sonntag, 4. Mai, auf dem Alten Markt in Werther Station.Wenn die »alten Schätzchen« gegen Mittag in der Böckstiegelstadt einfahren, ist das für alle Liebhaber alter Automobile ein großer Moment. Denn ein Aufeinandertreffen derart vieler Dampfwagen gibt es sonst äußerst selten - weltweit. Eben weil heute mit Benzin und nicht mit Dampf gefahren wird. Das war vor gut 100 Jahren anders.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, sagt Heiner Rössler vom Automuseum Melle, hätte es weltweit mehr Dampf- als Benzinautos gegeben. "Das ist lange vorbei", bedauert er. Jahrzehntelang hätte das Dampfauto hierzulande als ausgestorben gegolten. "Besucher im Automuseum verwechseln es regelmäßig mit der in Kriegszeiten verbreiteten Notlösung der sogenannten »Holzvergaser«", so Rössler. Wenn es nach ihm ginge, sollte man sich gerade - aber nicht nur - aus Umweltgründen durchaus wieder mit dieser Technik beschäftigen.
So werde in seinem Museum seit vielen Jahren ein Stanley 735 B aus dem Jahre 1919 gehegt und gepflegt, der schon viele Automobilfans mit seiner Leistung und seiner Beschleunigung verblüfft hätte.
"Die Vanderbilt-Racer erreichten schon 1906 Geschwindigkeiten von bis zu 180 Stundenkilometern", schwärmt Rössler. Die vom amerikanischen Präsidenten bevorzugten White hätten sogar das Pro-blem des Wasserverbrauchs - der zugegebenermaßen sehr hoch sei - durch ein Kondensationssystem gelöst. Alle Dampf-Automobile, so der Fachmann, seien leise, umweltfreundlich, brauchten keine Kupplung und kein Getriebe und wären durch ihr hohes Drehmoment Benzinautos in Beschleunigung und Bergsteigevermögen überlegen.
Bei so viel Begeisterung ist es nicht verwunderlich, dass Rössler ein Dampf-Automobil-Register gründete, um die versprengten Dampf-Autofahrer in Europa zusammenzuführen und zum Erfahrungsaustausch anzuregen. Inzwischen hat sich daraus eine lebendige Szene entwickelt. Und kaum zu glauben, aber das Zentrum dafür liegt im Museum in Melle, das mit der mehrtägigen Dampf-Tour die wichtigste Veranstaltung ihrer Art ausrichtet.
So ist das morgendliche Aufheizen im Innenhof des Museums ein Spektakel für sich: Die Brenner erzeugen fremdartige Geräusche, "man glaubt fast, von Dinosauriern im Liebeswahn umgeben zu sein", schmunzelt Rössler. Kessel würden riesige Dampfwolken ausspeien, die Fahrer hantierten mit Lötlampen, bis der nötige Dampfdruck von 42 bar erreicht wäre. Der Start vollziehe sich dann allerdings ganz ruhig: "Trotz atemberaubender Beschleunigung hört man praktisch keine mechanischen Geräusche." Das alles können interessierte Besucher nun am 4. Mai in Werther erleben. Die Veranstaltung auf dem Alten Markt beginnt um 11 Uhr, gegen 12.15 Uhr werden die alten Automobile erwartet, die etwa eineinhalb Stunden in der Böckstiegelstadt verweilen. In dieser Zeit stehen die Fahrer gern für Fragen und Auskünfte bereit. Richtig spannend wird vor allem die Abfahrt, wenn die Gefährte gestartet werden und unter »Volldampf« die Böckstiegelstadt verlassen.