Halle.
"Es gefällt mir kein Stand so gut, als ein Schulmeister zu sein", soll schon Martin Luther gesagt haben. Seit den Zeiten des Reformators hat sich allerdings viel getan: Der Lehrerberuf verliert an Attraktivität und das besonders für Männer. Die Statistik zeigt, dass die Zahl männlicher Lehrer beständig abnimmt. An den Grundschulen, wo am wenigsten Männer unterrichten, liegt sie in Halle - wie im Landesdurchschnitt - nur noch bei neun Prozent. Maik Evers leitet die Lindenschule. Abgesehen vom Hausmeister ist er der einzige männliche Mitarbeiter der Grundschule. Im Interview mit Jonas Damme beschreibt er, warum so wenige Männer dort unterrichten und welche Folgen das hat.Der männliche Lehreranteil an Gymnasien ist im vergangenen Jahr unter 50 Prozent gefallen, an Grundschulen liegt er nun sogar unter zehn Prozent. Verwundert es Sie, dass es so wenige sind?
MAIK EVERS: Die Zahlen erschrecken mich nicht. Wenn man realistisch in die Klassen guckt. So sieht es aus. Zwei Lehrer gibt es selten.
Können Sie erklären, warum so wenige Männer Grundschullehrer werden wollen?
EVERS: Geld?! Das ist wirklich bei vielen so. Das Einstiegsgehalt eines Oberstufenlehrers entspricht dem Schulleitergehalt an der Grundschule. Und wir leben ja leider gerade im männlichen Bereich noch in diesem klassischen Rollenbild: Ich muss eine Familie ernähren können. Am Gymnasium habe ich viel mehr Beförderungsämter, mehr Bereiche, in denen ich mich verwirklichen kann.
Ist es wirklich nur das Geld?
EVERS: Nein. Außerdem hat zum Beispiel das Gymnasium mittlerweile ja auch eine ganz andere Lobby. In Finnland sagt man: Die besten Leute müssen an die Basis. Und die müssen auch am besten bezahlt werden. Denn in der Grundschule werden die Grundlagen gelegt. Das hat dann viel mit Idealismus zu tun, wenn man sich trotzdem für die Grundschule entscheidet.
Das klingt wie ein Plädoyer für die Grundschule. Also können Sie nicht nachvollziehen, warum so viele Kollegen hier nicht hinwollen?
EVERS: Nein, kann ich nicht. Hätte die Grundschule eine etwas bessere Lobby, ein etwas besseres Ansehen, könnte das anders sein.
Ist das Männerdefizit ein Erziehungs- oder ein fachliches Problem? Oder ist es noch etwas anderes?
EVERS: Fachlich ist es überhaupt kein Problem. Zum Beispiel im Lehrerzimmer macht es aber schon einen Unterschied. Da haben Männer manchmal vielleicht eine direktere Art. Das macht manchmal Dinge unkomplizierter.
Braucht man denn Männer an der Grundschule?
EVERS: Bei manchen Kindern haben es Männer leichter. Wenn die von zu Hause keine starke weibliche Rolle kennen, haben sie vielleicht Probleme, eine Frau zu akzeptieren. Da hat es ein Mann dann einfacher. Aber auf der anderen Seite sind Frauen oft noch emphatischer. Sie haben in anderen Bereichen mit weniger Schwierigkeiten zu kämpfen.
Hat sich an der Grundschule in den Jahren grundsätzlich etwas verändert?
EVERS: Unterrichten ist vielleicht nicht mehr so einfach, wie es früher war und nicht mehr unbedingt unser Hauptgeschäft. Bereiche wie Beratung und Erziehungsfragen haben zeitmäßig einen immer größeren Anteil an unserer täglichen Arbeit bekommen. Wo uns manche junge Lehrerinnen vielleicht noch etwas beibringen können, ist die Vernetzung mit dem Ganztag, sich als Schule nach außen hin zu öffnen. Die ganzen zusätzlichen Aufgaben, die heute auf Schulen zukommen. Wir müssen heute viel mehr leisten als früher.
Zum Beispiel?
EVERS: Die Radfahrprüfung. Wir hatten jetzt zum ersten Mal Kinder in der vierten Klasse, die nicht Rad fahren konnten. Oder nicht schwimmen. Auch erzieherische Probleme oder die Dokumentation jeglicher individueller Förderung. Es ist ein ganzes Spektrum, das auf uns zukommt.
Grundschullehrer sind also gleichzeitig Erzieher. Und in Ihrem Fall auch noch Organisatoren. Mögen Sie persönlich Ihren Beruf als Grundschulrektor?
EVERS: Ja, im Moment habe ich meinen Traumberuf. Ich gehe an 95 Prozent der Tage wirklich gerne zur Arbeit. Wer kann das schon sagen.
Sollte man männliche Lehrer besonders fördern, um wieder mehr zu bekommen?
EVERS: Nein. Damit würde man ja die Kompetenz der weiblichen Lehrkräfte untergraben. Ich glaube, man muss das Berufsbild des Grundschullehrers grundsätzlich zeigen. Wie schön, wie abwechslungsreich das ist. Dafür muss man die Leute einfach wieder begeistern.