Von alexander heim
Halle. Den sieben Geißlein ging es nicht an den Kragen. Und auch an Schneewittchen ging der Kelch des vergifteten Apfels diesmal vorüber. Nur Lieder über Märchen? So war es dann eben doch nicht zu verstehen gewesen, das Motto des Vortragsreigens beim traditionellen »Konzert der Haller Chöre«. Viel Märchen- und ebenso Zauberhaftes steckte indes in den Liedbeiträgen der sieben Haller Ensembles. Und die hatten sich bei der 39. Auflage der wunderbaren, abendfüllenden Musik-Veranstaltung selbst ebenso wie den Zuschauern ein besonderes Geschenk gemacht.
Denn als Kontrapunkt zu den Vokaldarbietungen sorgte das Duo Anton Sjarow (Violine) und Orlin Tzontchev (Klavier) für wahre Begeisterungsstürme. Die beiden Instrumentalisten ließen nicht nur, ganz wie in Emmerich Kálmáns Csárdásfürstin, die Zigeuner zur Geige greifen. Sie spielten auch den beliebten Walzer »Tanzen möcht’ ich, jauchzen möcht’ ich« aus der gleichnamigen Operette an. Sie ließen, ganz wie Franz Lehár es ersonnen hatte, die »«Lippen schweigen" ("Die lustige Witwe"), brachten ein bes(ch)wingtes "In der Straße wohnst du" aus My Fair Lady zu Gehör oder den rhythmischen Tango Argentino »El choclo«. Ein unglaublich genial gespielter Csárdás, bei dem Violonist Anton Sjarow all sein Können präsentieren konnte, ließ die Haller aufjubeln. Denn auch die choristischen Darbietungen des Abends hatten es in sich. Da kuschelte sich etwa der fünfjährige Julius an Mama Annika Ellerweg an, die ihm aus einem Märchenbuch vorlas. Derweil intonierte die Sängergemeinschaft Künsebeck eine deutschsprachige Version von ABBAs »I have a dream« und den Enya-Hit »Only Time«. Da führte der MGV Hörste in seinen schwarz-grauen Kombinationen das Lied der Berge an, erklärte in den Worten des Liedermachers Reinhard Mey »Welch ein Geschenk ist ein Lied« und brachte sogar die Titelmusik aus »Drei Haselnüsse für Aschenbrödel« zu Gehör, am Steinway-Flügel souverän begleitet von Olga Teske. Der Gemischte Chor Kölkebeck ließ nicht nur die »Alte Moorhexe« wiederauferstehen. Er plädierte auch dafür, am Klavier begleitet von Elvira Maas: »Probier’s mal mit Gemütlichkeit«. Niemand Geringeres als das zauberhafte Kindermädchen Mary Poppins ließen die Sängerinnen und Sänger von mezzoforte in der Aula des KGH lebendig werden. Marion Abel schlüpfte in die Titelfigur des gleichnamigen Musicals, Kay-Jörgen Sennhoff wurde bei »Chim chim cheree« zum Schornsteinfeger Bert. Fantasievolle Kostüme, eine gekonnt einstudierte kleine Choreografie, ein kleines Tänzchen auf offener Bühne - da stimmte einfach alles. Mit vollem Bass erzählte Solist Jürgen Wolff die Legende von den zwölf Räubern, stimmgewaltig unterstützt vom MGV »Ravensberg« Halle und dem MC Brockhagen. Und selbst den schlafenden Löwen erweckte dieses Ensemble gegen Ende des gut dreistündigen Konzertes mühelos wieder zu Vitalität.
Alle Choristen standen beim großen Finale, beim »Abendsegen« von Engelbert Humperdinck, noch einmal auf der großen Bühne. Da jubelten die Zuschauer, zollten Christian Schumacher als musikalischem Gesamtleiter, den beiden Pianistinnen sowie allen 150 Mitwirkenden und Chorleitern mit reichlich Applaus Respekt für einen wirklich schönen und gelungenen Abend. Nur die jüngsten Sängerinnen und Sänger waren da schon längst zu Hause und in den Betten. Denn die Kinderchöre des Johanniskantorei hatten diesmal, anmoderiert von Kirchenmusikdirektor Martin Rieker, den fulminanten Auftakt des Konzertes hingelegt, von Ottokar mit den Segelohren ebenso erzählt wie vom Clown auf dem Dach oder den Bremer Stadtmusikanten. Dafür fand Moderator Dieter Baars übrigens nicht nur Worte voll des Lobes. Dank einer Spende der TWO winkte auch jedem der jungen Sänger eine Eintrittskarte für das Lindenband.