Die Unterlagen, die das belegen, kramt Barzik schnell hervor. Eine Spritzen- und Patrouillenabteilung habe es schon 1859 gegeben. Man könnte von einer Vorfeuerwehr, auch von einer Haller Bürgerwehr sprechen, die sich damals für die Sicherheit in der Lindenstadt einsetzte. Erst etwa 20 Jahre später, am 16. Januar 1879, kristallisiert sich aus eben diesen engagierten Rettern die Freiwillige Feuerwehr Halle heraus. 75 Männer waren es, die in der Gastwirtschaft Brune die Freiwillige Feuerwehr Halle gründeten. Zum aufgeführten Inventar der Haller Wehr zählten bereits am 5. November 1879 vier Feuerwehrspritzen, wie eine Urkunde belegt, deren Original Barzik auch heute noch in seinem Archiv aufbewahrt.
Sorgfältig dokumentiert
Dieter Barzik und seine Vorgänger haben ihre Geschichte mühevoll dokumentiert. Zu großen Teilen im Archiv des Haller Kreisblatts, die der auflagenstärksten Tageszeitung im Altkreis Halle, die nach ihrer Gründung 1882 einen großen Teil der Feuerwehrgeschichte begleitete. Der erste HK-Artikel, der sich im Archiv wiederfinden lässt, ist auf den 2. April 1892 datiert. August Strüwer war damals erster Wehrführer in Halle, Ferdinand Gehre leitete die erste Feuerwehrkapelle, und 1893 wurde der erste Steigerturm der Lindenstadt errichtet, ehe 1909 die erste Satzung der Freiwilligen Feuerwehr Halle niedergeschrieben wurde.
„Gefeiert haben die früher derbe”, stellt Barzik mit Blick auf seine Ordner fest. Am 6. Juli 1923 zum Beispiel das erste Kreisfeuerwehrverbandsfest auf dem Haller Schützenberg. Eine Zeremonie, die auch in den folgenden Jahren in Versmold, Werther und Amshausen gerne wiederholt wurde. Ein dreitägiges opulentes Fest gab es auch anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Haller Wehr Anfang Juni 1929 auf dem städtischen Marktplatz. Im Rahmen der Feierlichkeiten führte Landrat Siegfried von Campe die Bannerweihe durch. Im Oktober des gleichen Jahres wurde das Feuerwehrgerätehaus eingeweiht und am gleichen Tag eine Motorspritze übergeben. „Das war technisch zur damaligen Zeit schon ganz weit vorne”, stuft Barzik ein.
Das galt auch für die Mitgliederstruktur. Das erste Verzeichnis aus dem Jahr 1929 zeugt von bekannten
Haller Bürgern als Fürsprecher der Wehr. Der damalige Amtsbürgermeister Eduard Meyer zu Hoberge war dort ebenso notiert wie der städtische Bäckermeister Potthoff, Schlosser Karl Wagemann oder große Teile der Familie Pahlkötter, deren Dynastie sich durch die gesamte Feuerwehrgeschichte zieht. Atemschutzwart Ralf und sein Bruder Uwe Pahlkötter sind noch heute Mitglieder. Die darauf folgende Zeit des Nationalsozialismus bezeichnet Barzik als „Grauzone”, zu der - insbesondere in der Endphase der Hitler-Herrschaft - auch das Zeitungsarchiv wenig Aufschluss bietet. Ein Foto eines Marsches durch die Lange Straße im Zuge des NSDAP-Parteitages 1938 ist zu sehen, auch typische Leitsätze wie die »Feuerwehr im Dienste der Heimat« sind vermerkt. Was die Aufzeichnungen ebenfalls zeigen: in Halle war damals eine durch die Hitlerjugend (HJ)
organisierte Nachwuchswehr aktiv. Der damalige Wehrführer Willi Pahlkötter und Kreisbrandmeister Wilhelm Heidbrede, weiß Barzik, seien direkt nach Ende des Zweiten Weltkrieges von ihren Aufgaben entbunden worden.
Meilensteine
Mehr hat Dieter Barzik zu »Meilensteinen« der 1960er und 70er Jahre zu erzählen. Über die erste Drehleiter DL 30, die am 20. September 1969 feierlich mit einem Festakt in das Inventar aufgenommen wurde, oder der nordrheinwestfälischen Gebietsreform, vom 1. Januar 1973, aus der nicht nur der Kreis Gütersloh, sondern auch die heutige Struktur der Wehr entwuchs, die sich fortan in die Löschzüge Halle, Hörste und Kölkebeck aufgliedert. Auch das 100-jährige Jubiläum der Freiwilligen Feuerwehr Halle wurde mit einer Ausstellung in der Sparkasse und einem Festakt im Hotel Hollmann ebenso groß gefeiert, wie das 125-jährige Bestehen 2004, zu dem es die erste Sonderausgabe des »Haller Willem« und ausgiebige Festivitäten in der Aula des Haller Kreisgymnasiums gab. Meilensteine der Feuerwehr-Geschichte.
Man kann nicht immer helfen
Für Dieter Barzik sind das Dinge, „an die ich mich unheimlich gerne erinnere”. Doch da sind auch die dunklen Stunden, von denen Barzik berichten will. Sie begleiten in Form von Bildern entlang der Treppe in die obere Etage des Feuerwehrgerätehauses. Hier findet sich auch der „größte Brand der Haller Stadtgeschichte”, wie er das Flammen-Inferno am Werk der Westfälischen Central- Genossenschaft (WCG)
in Künsebeck im Jahr 1982 bezeichnet.
Auch an den 17. Juli 1984 erinnert sich Barzik noch. Bei einem Hausbrand am Schnatweg fallen damals sechs Menschen den Flammen zum Opfer. „Ich kam damals als frisch ausgebildeter Brandmeister gerade aus der Schule und habe lange gebraucht, um diese Erlebnisse zu verarbeiten und zu akzeptieren, dass man nicht immer helfen kann.”
Es war das Grausamste, was Dieter Barzik bis zur Niederlegung seines Amtes als Oberbrandinspektor bei der Freiwilligen Feuerwehr Halle im Januar 2011 erlebte. Heute leitet er die ABC-Einheit des Kreises Gütersloh und ist Brandschutzbeauftragter und Wehrführer bei der Betriebsfeuerwehr der Firma Storck. „Fünf bis sechs Stunden in der Woche” findet Barzik dennoch Zeit, um sich in sein Reich zurückzuziehen. Hier kennt sich keiner besser aus als er. „Das ist eine Aufgabe, die mich unheimlich begeistert”, erzählt er. So sehr, dass er nur äußerst ungerne Dinge wegschmeißt: „Wegschmeißen kann man nur einmal, das sollen meine Nachfolger machen”, sagt er und vertieft sich in die Feuerwehr-Chronik seines Vorgängers Dieter Lauer. Darin wird es wenig Neues geben für Dieter Barzik, dem Zeithüter der Haller Feuerwehr.