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Blick nach oben lohnt sich

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Von Anja Hanneforth

Werther.
Dichtungsfugen, Lüftungsschlitze, Beschilderung von Fluchtwegen: Bestimmt nicht das, was Besuchern eines Museums als Erstes ins Auge fällt. Sicher aber das, was Planer eines Museums unbedingt beachten sollten. Genau diese Details standen jetzt im Mittelpunkt einer etwas anderen Besichtigungsfahrt. Sie führte ein zehnköpfiges Projektteam, das in den kommenden Monaten das Böckstiegel-Museum in Werther bauen wird, in den Raum München: zum Lenbachhaus in die bayerische Landeshauptstadt und zum Franz-Marc-Museum in Kochel am See - beides Häuser, die gerade erst um einen separaten Bau erweitert wurden.

In kaum einem Jahr soll der erste Spatenstich für das Böckstiegel-Museum in Arrode erfolgen. Eine gute Idee also, sich zuvor andere Einrichtungen anzuschauen, die jüngst vor der gleichen Aufgabe standen. Und die dabei vielleicht Erfahrungen gemacht haben, die sich die Wertheraner ersparen könnten.

"Schon aus diesem Grund war die Fahrt mehr als lohnenswert", hebt Beate Balsliemke, Geschäftsführerin der Böckstiegel-Stiftung, die Offenheit der Museumsdirektoren beider Häuser hervor: "Sie haben uns ihre Hintertüren geöffnet, haben kritische Fragen beantwortet und ehrlich Probleme angesprochen."

Bewusst fiel die Wahl der Ostwestfalen auf die beiden süddeutschen Museen. Nicht, weil die Ausgangssituation mit der in Werther vergleichbar wäre (der Anbau des Lenbachhauses stammt vom britischen Stararchitekten Lord Norman Foster und kostete 56 Millionen Euro), sondern weil die Aufgabenstellung eine ähnliche war: neben ein bestehendes ein neues Gebäude zu setzen, mit all den Schwierigkeiten, die so etwas mit sich bringt.

"Wir wollen hier in Werther nicht die goldene Steckdose", betont Beate Balsliemke. Was bei einem Gesamtetat von zwei Millionen Euro auch schwierig wäre. "Aber natürlich soll alles aus einem Guss sein." Bei der Fahrt nach München haben die zehn Teilnehmer vieles gesehen - "nur keine Kunst", sagt die Geschäftsführerin der Böckstiegel-Stiftung augenzwinkernd.

Ohnehin sieht eine Vergnügungsfahrt anders aus. Früh morgens, quasi noch bei Dunkelheit, stieg das Projektteam in den Zug nach München. Dort angekommen blieben zweieinhalb Stunden für den Besuch des Lenbachhauses, kurzes Mittagessen, weiter mit dem Mietwagen nach Kochel am See, zweieinhalb Stunden fürs Franz-Marc-Museum, zurück nach München und noch am selben Abend zurück nach Ostwestfalen. "Nach Mitternacht war ich wieder zu Hause", erzählt Beate Balsliemke.

Doch so anstrengend die Fahrt, so lohnenswert war sie auch: Sie brachte neue Ideen, wie sich Probleme lösen lassen, wie sich aus wenig Raum viel machen lässt, dazu die Erkenntnis, dass Nachbessern immer mehr Geld kostet, als es gleich vernünftig zu machen, und das gute Gefühl, als Team zusammengewachsen zu sein. Baustatiker, Techniker, Architekten, Vertreter der Böckstiegel-Stiftung und überhaupt alle, die am Museumsbau beteiligt sind, haben nun mehr Verständnis für die Vorstellungen der jeweils anderen. Wie etwa lässt sich Tageslicht in ein Museum bringen, ohne dass die Kunstwerke darunter leiden? Welches Material kommt für den Fußboden in Frage, das gleichzeitig gut aussieht und pflegeleicht ist? Wie kann die Garderobensituation gelöst werden, ohne viel Platz wegzunehmen? Wo werden die technischen Leitungen verlegt, welche Klimatechnik eingebaut, wie der Schallschutz gewährleistet?

Und die Fahrt diente noch einem weiteren Zweck: Sich mit anderen Museen zu vernetzen und Kontakte zu knüpfen für eine mögliche spätere Zusammenarbeit.

Überhaupt passiert derzeit hinter den Kulissen eine Menge. So sind die Vertreter der Stiftung dabei, in der Öffentlichkeit Werbung für das Projekt zu machen und so Geldgeber zu finden, dank derer der Bau in Arrode an Wertigkeit gewinnt. Außerdem haben David Riedel als künstlerischer Leiter des Böckstiegel-Hauses und sein Team damit begonnen, einen Museumsplan inklusive Ausstellungs- und Personalkonzept zu erarbeiten. Denn, so sagen er und Beate Balsliemke: "Je besser wir es jetzt schaffen, die Weichen zu stellen, desto besser wird der Museumszug später rollen."


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