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Die dunklen Wolken bleiben

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Von Marc Uthmann und Uwe Pollmeier Versmold. Viele Nölke-Mitarbeiter blicken weiterhin sorgenvoll in die Zukunft. Seit dem kurz vor Weihnachten bekannt gewordenen Kauf des Versmolder Fleischwarenherstellers durch die Zur-Mühlen-Gruppe hat sich die Lage noch nicht entspannt. Obwohl sich die Auftragslage gebessert hat, bleiben Verunsicherung und zum Teil auch Frust in der Belegschaft groß. Dies spiegelt sich auch in einem aktuell außergewöhnlichen Krankenstand wider, der durch die Beschäftigung von Leiharbeitern ausgeglichen wird. "Wir müssen diese Ausfälle auch mit Leiharbeit abfedern", sagt Unternehmenssprecher Markus Eicher. Nach HK-Informationen haben die Mitarbeiter in der Produktion derzeit eine Menge zu tun. Zum einen stellen sie Artikel für ein spanisches Unternehmen her, dessen Produktionsgebäude bei einem Brand zerstört wurde. Zum anderen werden an der Ziegeleistraße mittlerweile auch Produkte aus dem geschlossenen Werk in Waren an der Müritz gefertigt: unter anderem vegane und vegetarische Wurst. Die Auslastung des Personals habe allerdings auch damit zu tun, so ein Insider, dass viele neue Kräfte eingearbeitet werden müssten. So würden seit einiger Zeit vermehrt Leiharbeiter, zunächst aus Bulgarien, zuletzt aus verschiedenen Nationen, eingesetzt. Die jüngsten Neuzugänge kommen nach HK-Informationen vom Tönnies-Standort aus Rheda-Wiedenbrück, wo sie teilweise bereits über Jahre per Werkvertrag beschäftigt waren und somit gewisse Kenntnisse in ihrem Arbeitsbereich erlangt haben. Immer wieder wird unterdessen auch kolportiert, dass in der Stadt an verschiedenen Stellen Unterkünfte angemietet werden, um Arbeiter für Nölke unterzubringen. "Die Firma Nölke sucht keine Unterkünfte für Leiharbeiter", dementiert Eicher. Allerdings könne er sich vorstellen, dass die Arbeitgeber der kurzfristig eingesetzten Leiharbeiter für diese eine Unterkunft gesucht haben. Die Situation mit den zahlreichen, bislang externen Kräften müsste allerdings bis Ende August geregelt werden. Denn dann läuft die Kündigungsfrist der 150 Mitarbeiter aus, die das Unternehmen aufgrund seiner prekären finanziellen Lage verlassen sollen. Und ihnen hatte man ja gerade deshalb gekündigt, weil nicht genügend Arbeit vorhanden sei. Diese Begründung hatten nach HK-Recherchen zumindest jene Nölke-Mitarbeiter erhalten, die gegen die Kündigung vor Gericht gezogen waren - offenbar ein Großteil der 150 entlassenen Kollegen. Gerüchte, wonach ein Formfehler dazu geführt habe, dass viele Kündigungen nun erst Ende Dezember gültig werden, dementiert Gaby Böhm, Geschäftsführerin der Gewerkschaft Nahrung, Genuss und Gaststätten in der Region Bielefeld. "Das ist falsch. Und außerdem wäre ja nicht bei allen das Vertragsende im Dezember. Dies hängt ja von den Kündigungsfristen aufgrund der Betriebszugehörigkeit ab", sagt Böhm. Noch bis Ende Mai haben diese Mitarbeiter die Möglichkeit, in eine Transfergesellschaft zu wechseln. Anfang Juni wolle das Unternehmen dann bekanntgeben, wie viele Mitarbeiter von diesem Angebot Gebrauch gemacht hätten. "Wir sind uns bewusst, dass wir in Versmold noch immer Unruhe haben. Das liegt aber auch in der Natur der Sache, wenn sich zwangsläufig vieles verändern muss", sagt Eicher. Man glaube jedoch, dass sich die Stimmung mit der konsequenten Umsetzung der angekündigten Schritte dann auch mehr und mehr beruhigen werde. Zu einem dieser Schritte gehören auch Veränderungen im Bereich der Endkommissionierung und der Logistik. "Spezialisierte Unternehmen erfüllen diese Aufgaben deutlich besser und kostengünstiger, daher setzen wir diese Veränderung jetzt um", sagt Eicher. Diese Auslagerung betreffe 60 der gut 400 Arbeitsplätze in Versmold. Folgenlos bleiben all die angestrebten Veränderungen für die Geflügelwurstmarke »Gutfried«. "Diese Produkte werden auch weiterhin in Versmold produziert. Für die Marke sehen wir auch weiterhin ein gutes Marktpotenzial", sagt Eicher. Ebenso sehe er gute Jobchancen für die Mitarbeiter, die von den Entlassungen betroffen sind. "Wir sehen, dass gut ausgebildete Menschen aus der Fleischwarenbranche in der Region gute Jobchancen haben", sagt Eicher. Nach HK-Informationen habe einige der Nölke-Beschäftigten bereits einen Arbeitsplatz beim Haller Süßwarenhersteller Storck erhalten. Die derzeitige Situation bei Nölke war auch Thema beim Vortrag des NRW-Staatssekretärs Thorsten Klute. Eine Frau aus dem Publikum meldete sich mit Tränen in den Augen zu Wort und berichtete davon, dass sie inzwischen die einzige Mitarbeiterin in ihrer Abteilung sei, die Deutsch spreche. Täglich führen Bullis mit ausländischen Kennzeichen vor, um Arbeiter am Firmentor abzusetzen. Margret Brameier, die seit sechs Jahren die Leiharbeitersprechstunde der AWO anbietet, spürt ebenfalls die Verunsicherung. "Man glaubt gar nicht, wie viele Betroffene zu uns kommen und von ihrer Angst berichten", sagt Brameier. Seien früher höchstens fünf Personen in die Sprechstunde gekommen, so seien zur ersten Sprechstunde nach Bekanntgabe des Nölke-Verkaufs allein 40 Mitarbeiter des Unternehmens gekommen. "Man kann gar nicht beschreiben, was da abgeht", sagt Brameier.

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