Halle. Dass eine Sportlerin 23 Jahre lang derselben Mannschaft angehört, kommt selten vor. Nicola Gottschalk hat es geschafft. Als 17-jähriges Mädchen bestritt sie 1992 ihr erstes Spiel für die Handballerinnen der HSG Union ’92 Halle, als 40-jährige Ehefrau und Mutter hat die Kreisläuferin nun Abschied genommen. Sportlich wie menschlich hinterlässt sie beim Drittligisten eine große Lücke. Philipp Kreutzer hat mit ihr gesprochen.
Nicola, was hat Sie angespornt, so lange zu spielen?
NICOLA GOTTSCHALK: Ich wollte unbedingt bis 40 spielen, denn diese Zeit, in der man selbst Spielerin sein kann, die kommt nicht zurück. Jetzt reicht es, ich habe mich während der Saison innerlich Stück für Stück verabschieden können. Ich bin mit mir im Reinen. Dabeigeblieben bin ich aber vor allem wegen meiner Mannschaft. Ohne die hätte ich es nicht drei Mal in der Woche zum Training geschafft. Wir haben gerade seit dem Aufstieg in die Regionalliga mit Trainer Kalla Klenke (2007, d. Red.) zusammen tolle Jahre gehabt.
Was zeichnet die Mannschaft aus?
GOTTSCHALK: Es gibt keine Cliquen, alle sind sehr offen. Es ist harmonisch und passt einfach gut zusammen.
Ganz von allein stellt sich eine positive Atmosphäre in einer Mannschaft aber nicht ein, oder?
GOTTSCHALK: Die Spielerinnen müssen etwas dafür tun. Sie sollten offen sein füreinander. Und zwar nicht nur in Fragen, die sich um den Sport drehen. Man muss sich für die anderen interessieren, auch für Privates.
Auffällig ist, dass die Stimmung trotz des großen Altersunterschiedes zwischen einigen Spielerinnen so gut ist. Wie war es für Sie, Mitspielerinnen zu haben, die nicht mal halb so alt sind wie Sie selbst?
GOTTSCHALK: Man profitiert ja voneinander. Ich habe zuletzt mit den jungen Spielerinnen Marleen Fräßdorf und Annalena Bergmann eine Fahrgemeinschaft zum Training gehabt. Ich fand das sehr schön. Wie die beiden das fanden, weiß ich nicht so genau ... (lacht)
Ist für Sie ein Leben ohne Handball wirklich vorstellbar?
GOTTSCHALK: Ein Leben komplett ohne Handball sicher nicht. Ich werde mich weiter ab und an beim Training blicken lassen, um mich fit zu halten. Und die Spiele besuche ich auch.
Wie haben Sie in Ihrer vergangenen Saison Ihre Rollen als Kreisläuferin und als Mutter miteinander vereinbaren können?
GOTTSCHALK: Ich bin jemand, der immer zum Training kommt, wenn es irgendwie möglich ist. In der 3. Liga geht das nicht anders. Mit der Hilfe meines Mannes und meiner Familie, die sich um unseren Sohn gekümmert haben, wenn ich beim Training war, ließ es sich terminlich machen. Es war ja für mich auch eine Möglichkeit, zu Hause rauszukommen, etwas anderes zu sehen und zu hören. Körperlich fiel es mir zuletzt aber schon schwerer. Mit 40 ist es eben anders als mit 20.
Sind Sie zufrieden mit Ihrer letzten Saison?
GOTTSCHALK: Ja. Weil wir den Klassenerhalt geschafft haben. Es hätte nicht so spannend sein müssen, und wir hätten am Ende etwas besser dastehen können. Aber es war aufgrund von Verletzungen und wegen des Trainerwechsels keine einfache Saison.
Wie beurteilen Sie den Wechsel von Uwe Landwehr zu Steffen Thiede in November im Nachhinein?
GOTTSCHALK: Uwe hat sich bei uns um sehr viele Dinge gekümmert und einen ordentlichen Job gemacht. Aber es hat irgendwie nicht richtig gepasst zwischen der Mannschaft und ihm. Als er ging, hatten wir ja gerade gute Ergebnisse erzielt. Aber es war trotzdem klar, das es so nicht weitergeht und es einen neuen Impuls geben muss. Steffen hat sich dann voll reingehängt, und er hat es gut gemacht.
Welche Zukunftsperspektiven hat der höherklassige Frauenhandball in Halle?
GOTTSCHALK: Es wird schwer, in Halle mittelfristig die Dritte Liga zu halten. Spielerinnen zu finden, die es sich zutrauen und bereit sind, den Aufwand zu betreiben, wird immer schwieriger. Man sieht das ja auch an Mannschaften wie Minden oder Hahlen, wo es traditionell viel Nachwuchs gibt, die sich aber trotzdem auch sehr schwertun. Man darf nicht vergessen, dass es bei uns kein Geld zu verdienen gibt.
Die wichtigste Frage zum Schluss: Wer wird bei der Union künftig den Schlachtruf »Ippti wippti tralla pippti« anstimmen?
GOTTSCHALK: Das ist noch nicht klar, vielleicht können wir es ja am Freitag bei der Hochzeit von Sina Speckmann besprechen. Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn diese Tradition, die wir von den Künsebecker Damen der 80er-Jahre übernommen haben, bestehen bleibt.