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Guter Riecher für das kühle Blonde

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Von Sven Hauhart Steinhagen. Wenn Johannes Kesten zum Bierglas greift, führt er es nicht zuerst zum Mund, sondern zur Nase. Denn der 31-jährige Steinhagener ist der erste und bislang einzige diplomierte Biersommelier im Altkreis. Als solcher schätzt er Bier nicht allein wegen seines Geschmacks. Er genießt es mit all seinen bestens geschulten Sinnen. "Feinporiger Schaum. Leicht opal. Karamelliger Geruch. Weich im Antrunk mit einer moussierenden Rezenz." Zugegeben, wenn jemand so über Bier redet, klingt das erst mal merkwürdig. Derartig blumiges Vokabular wird typischerweise nur mit einem Weinsommelier in Verbindung gebracht. Auch Johannes Kesten gibt zu, dass es für ihn zunächst "ungewöhnlich war, ein Bier auf so komplexe Weise zu beschreiben". Um der Aufgabe eines Sommeliers - egal ob für Wein, Käse oder eben Bier - gerecht zu werden, ist diese Fähigkeit aber unerlässlich. Denn als Vorkoster überprüft dieser Speisen oder Getränke auf ihre Qualität und berät sowohl den Gast als auch den Gastronomen bei der Auswahl. Dafür benötigt jeder Sommelier ein umfangreiches Detailwissen. In Deutschland wird dieses seit 2004 an der Doemens Akademie im bayerischen Gräfelfing vermittelt. "Die Ausbildung war der Oberkracher", schwärmt Kesten, der im zweiwöchigen Intensivkursus unter anderem die Geschichte der Bierherstellung, unterschiedliche Braumethoden und Bierstile sowie die richtige Schanktechnik lernte. "Das Interessanteste war aber die Sensorikschulung in Bezug auf Duft, Aussehen und Geschmack", sagt Kesten, der dem Geruch die entscheidende Bedeutung zumisst. Um diesen möglichst intensiv wahrzunehmen, benutzt der 31-Jährige ein spezielles Degustationsglas, welches ein schnelles Verflüchtigen der Duftstoffe verhindert. Ähnlich wie beim Wein gibt es auch beim Bier für bestimmte Biersorten charakteristische und dominante Sinneseindrücke, die erschnüffelt werden können, wie es in der Fachsprache heißt. Dass dies tatsächlich funktioniert, schildert Kesten am Beispiel seiner Diplom-Abschlussprüfung: In der sensorischen Prüfung mussten die angehenden Sommeliers sechs optisch völlig gleiche, aber dennoch unterschiedliche Biersorten bestimmen. "Die richtigen Cracks haben dafür nicht einen Schluck getrunken", sagt Kesten. Aber auch er selbst habe die Unterschiede zwischen Pils, Export, Kristall, Kölsch, alkoholfreiem Pils und Lager "zu 90 Prozent gerochen". Um diese Fähigkeit aufrechtzuerhalten, müsse er weiterhin möglichst täglich trainieren. Angesichts seiner spürbaren Begeisterung, dürfte Kesten dies kaum schwerfallen. Bedingt durch seinen Beruf als Angestellter und Gesellschafter des gleichnamigen Steinhagener Bierverlags kommt er sowieso täglich mit Bier in Berührung. Seine Ausbildung zum Sommelier will der 31-Jährige nun nutzen, um der Allgemeinheit den Facettenreichtum von Bier näherzubringen. Denn jenseits vom Pils und Weizen der großen Brauereien, drängen unter dem Stichwort Craft Beer immer mehr kleinere Brauereien auf den Markt, die innovative und sehr aromastarke Produkte anbieten. "Man kann auch den klassischen Pilstrinker abholen, wenn man ihm das tolle Geschmackserlebnis eines Spezialproduktes vermitteln kann", sagt Johannes Kesten, dessen Ziel ein Angebot von 200 bis 250 Biersorten ist.

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