Versmold. Der Umbau der Fabrikhalle am Brüggenkamp zur Flüchtlingsunterkunft ist beschlossene Sache. In der vergangenen Woche stimmten die Mitglieder des Haupt-, Finanz- und Wirtschaftsausschusses, wie berichtet, mehrheitlich für die Pläne - nur die SPD sprach sich dagegen aus. Der Abstimmung vorausgegangen war eine fast zweistündige Beratung, mit gegenseitigen Vorwürfen. HK-Redakteurin Silke Derkum fragte nun bei SPD-Fraktionschefin Liane Fülling nach, warum sie sich mit den Plänen für den Brüggenkamp nicht anfreunden kann.
Frau Fülling, die SPD hat sich bisher immer für Asylbewerber engagiert. Warum haben Sie nun gegen den Umbau des Industriegebäudes am Brüggenkamp zur Aufnahme von Flüchtlingen gestimmt?
LIANE FÜLLING: Die Mehrheit der Parteien sowie die Stadtverwaltung haben sich damit auf eine konzentrierte Unterbringung einer großen Anzahl an Menschen festgelegt. Und das unter einem gewaltigen Zeitdruck. Beides ist denkbar ungünstig und nicht in unserem Sinne.
Warum?
FÜLLING: Zeitdruck ist kein guter Berater. Da gehen die Perspektiven verloren. Man kann nicht sagen »Jetzt bauen wir am Brüggenkamp und damit sind alle Probleme gelöst«.
Wie würden Sie das Thema denn angehen?
FÜLLING: Wir hätten viele Dinge parallel geprüft - und die Folgen bedacht. Das heißt, wir hätten zuerst nach Wohnungen gesucht, die zur Vermietung oder zum Verkauf stehen, um dort die Menschen unterzubringen, die in den nächsten Wochen kommen. Und parallel würden wir dann mit dem Bau von passenden Unterbringungsmöglichkeiten beginnen.
Und die sähen nicht so aus wie das geplante Heim am Brüggenkamp?
FÜLLING: Wir möchten eine kleinteiligere Lösung. In zwei Doppelhaushälften, so wie die an der Bielefelder Straße, könnte man schon etwa 30 Leute unterbringen und eine spätere Nutzung als normale Wohnhäuser wäre auch möglich. Uns ist eine dezentrale Unterbringung wichtig.
Es wird aber momentan die Unterbringung von knapp 100 Menschen diskutiert.
FÜLLING: Man muss auch über die - zumindest vorübergehende - Nutzung anderer städtischer Gebäude nachdenken. Auch das ist verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen. So gäbe es bei der Hauptschule einen Leerstand eines ganzen Gebäudes für den Übergang. Aktuell hat die Stadt ja schon mit der Unterbringung von rund 20 Menschen im CJD-Internat eine gute Lösung geschaffen.
Den Neubau hätten Sie dann aber auch am Brüggenkamp angesiedelt?
FÜLLING: Wenn kleinteilig gebaut wird, ist gegen den Standort nichts zu sagen. Aber die Stadt hätte auch noch Flächen in Peckeloh und Loxten.
Die CDU hat Ihnen vorgeworfen, sich aus der Verantwortung zu ziehen.
FÜLLING: Wir haben uns bereits im vergangenen Herbst Gedanken über die Unterbringung der Asylbewerber gemacht, weil wir verantwortungsvoll sind. Mit unserem Antrag, 500 000 Euro für neue Asylbewerberunterkünfte in den Haushalt einzustellen, haben wir deutlich gemacht, dass wir ein großes Gewicht auf diese Frage legen.
Ihr Antrag wurde damals von der Mehrheit im Stadtrat abgelehnt.
FÜLLING: Dabei war jedem, der Zeitung liest, schon damals klar, dass es weitere Zuweisungen von Flüchtlingen geben würde und dass wir am Ende der Aufnahmekapazitäten in Versmold angekommen sind. Das Heim an der Bundesstraße war zu diesem Zeitpunkt schon so gefüllt, dass eine menschenwürdige Unterbringung nicht möglich war. Hätte der Stadtrat damals zugestimmt, würden wir jetzt schon das Richtfest des neuen Heims feiern.
„Unter den Voraussetzungen, die uns damals bekannt waren, hielten wir unseren Weg für gangbar“, sagt Meyer-Hermann, als ihn das HK auf die damalige Entscheidung anspricht. Die Stadt sei von einer Gesamtzahl von 100 Flüchtlingen ausgegangen, nicht von 100 zusätzlichen Menschen. Erst im Januar sei der Hilferuf aus Düsseldorf gekommen, mehr Kapazitäten zu schaffen, sagt er. Wäre man auf den SPD-Vorschlag eingegangen, wäre man zeitlich auch nicht weiter als jetzt. „Der Haushalt wurde Ende Januar verabschiedet, erst danach hätten wir planen und Baugenehmigungen beantragen können.“ Das Thema wird heute im Integrationsausschuss ab 17.30 Uhr behandelt. (sim)
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"Es waren andere Voraussetzungen"
Als im November und Dezember 2014 der Haushalt beraten wurde, zeigte sich die SPD hartnäckig. Gleich zwei Mal wurde der Antrag gestellt, 500?000 Euro für den Bau von Flüchtlingsunterkünften einzustellen. Beide Male ohne Erfolg. Bürgermeister Michael Meyer-Hermann und die anderen Fraktionen waren der Ansicht, bei Bedarf Wohnraum anzumieten und zusätzliche Kapazitäten am Asylbewerberheim in Bockhorst zu schaffen, seien der bessere Weg, um kurzfristig zu reagieren. 80 000 Euro wurden dafür in den Haushalt eingestellt.„Unter den Voraussetzungen, die uns damals bekannt waren, hielten wir unseren Weg für gangbar“, sagt Meyer-Hermann, als ihn das HK auf die damalige Entscheidung anspricht. Die Stadt sei von einer Gesamtzahl von 100 Flüchtlingen ausgegangen, nicht von 100 zusätzlichen Menschen. Erst im Januar sei der Hilferuf aus Düsseldorf gekommen, mehr Kapazitäten zu schaffen, sagt er. Wäre man auf den SPD-Vorschlag eingegangen, wäre man zeitlich auch nicht weiter als jetzt. „Der Haushalt wurde Ende Januar verabschiedet, erst danach hätten wir planen und Baugenehmigungen beantragen können.“ Das Thema wird heute im Integrationsausschuss ab 17.30 Uhr behandelt. (sim)